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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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der Kurie gehört, einem Menschen, der mehr oder weniger so war wie er selbst, dem es jedoch nicht gelungen war, bei der unablässigen Gratwanderung, die das bürgerliche Leben in dieser Zeit darstellte, das Gleichgewicht zu bewahren.
    Er sah jedoch einige interessante Titel, zum Beispiel Wahre Geschichte von einem Syrer und Griechen namens Lukian. Thalius hatte das Werk als Junge gelesen und seither andere Geschichten von fantastischen Reisen in ferne Winkel der Welt oder gleich ganz ins Weltall hinaus gesucht – keine Mythen, die ihm stets ein wenig hohl erschienen, sondern Überlegungen, was wirklich möglich sein könnte. Aber er hatte gelernt, sein Interesse an derartigen Spekulationen für sich zu behalten. Hochnäsige sogenannte Literaturkenner
behaupteten nämlich immer, solche Geschichten wären nur etwas für pubertierende Jungen, die Autoren hätten eigentlich nichts Neues mehr zu erzählen, und die Charakterzeichnung werde zugunsten der Ideen geopfert. Es nützte Thalius nichts, wenn er einwandte, dass es doch gerade um die Ideen ging. Voller Bedauern legte er den Lukian wieder hin; er besaß bereits ein besseres Exemplar, auch wenn er es nicht zur Schau stellte.
    Während er blätterte, bemerkte er einen jüngeren Mann neben ihm, der sich ebenfalls durch die Haufen der Schriftrollen arbeitete. Er rempelte Thalius zu dessen erheblichem Ärger an, während er die Bücher zu studieren versuchte.
    Der Junge hinter dem Tisch begann sich für Thalius zu interessieren. »Wenn du wirklich was kaufen willst, hätte ich da vielleicht was für dich.« Er wühlte unter dem Tisch herum und förderte eine Schriftrolle zutage, die noch abgegriffener war als die anderen. Thalius, dessen Augen wässrig, aber noch scharf waren, sah, dass er die Erinnerungen des Kaisers Claudius in den Händen hielt. »Handelt von seiner Zeit hier in Camulodunum. Das ist sein Tempel«, sagte er und reckte lässig einen Daumen über die Schulter.
    »Ich weiß, wessen Tempel das ist!«, blaffte Thalius.
    Der Junge verzog keine Miene. »Dann eben ein gutes Andenken.«
    Thalius wusste, dass solch ein Objekt außerhalb der großen Bibliotheken der mediterranen Städte in der Tat schwer zu finden war – und noch schwerer,
seit Konstantin seine Hauptstadt Hunderte von Meilen nach Osten verlegt hatte. Und er nahm an, dass die Rarität ihren Preis haben würde. »Zeig her. Ist sie vollständig, in gutem Zustand? Eine Abschrift der wievielten Generation?« Bücher waren heutzutage ebenso zerschlissen wie alles andere; man musste sie immer prüfen. Er griff nach der Schriftrolle. Der Junge hielt sie vor seine Brust. Ungehalten über die Gedankenlosigkeit, beugte sich Thalius über den Tisch.
    Und just in dem Moment, als er seinen Schwerpunkt am weitesten nach vorn verlagert hatte, versetzte ihm der junge Mann neben ihm einen Faustschlag in den Bauch, und es gab eine Explosion unglaublich starker Schmerzen, während eine Hand in seiner Tunika stöberte.
    Eine andere, viel stärkere Hand packte ihn an einem Stück Stoff im Nacken. »Thalius. Alles in Ordnung?«
    Zwei, drei tiefe Atemzüge lang spürte Thalius, wie sein Herz raste, und ihm wurde grau vor Augen. Aber er sank nicht zu Boden. Allmählich ließ der Schmerz in seinem Bauch nach. Er blickte auf.
    Vor ihm stand ein Mann, vielleicht in den Dreißigern, gut gebaut, mit leuchtend rotblonden Haaren. Er war Soldat, wie man an der kunstvollen Militärspange an seiner Schulter und an seinem teuer aussehenden Gürtel erkennen konnte. Der Mann hob die Hände. In jeder hielt er einen Gegenstand: Claudius’ Erinnerungen und Thalius’ ledernen Geldbeutel. »Diese beiden Gauner haben im Rudel gejagt.« Er warf
Thalius den Geldbeutel hin, und dieser fing ihn ungeschickt auf. »Ich hatte leider beide Hände voll und musste sie laufen lassen.«
    Thalius schaute sich um. Die Kaufwilligen schoben sich unbeirrt an ihnen vorbei; von den Räubern war nichts zu sehen. »Welch eine Schande«, knurrte er. »Bücher als Lockmittel für Diebstahl und Gewalt zu benutzen! Was ist nur aus der Welt geworden?«
    »Ich glaube, das gehört dir, nicht wahr?« Der Mann reichte Thalius die Claudius-Rolle.
    Thalius nahm sie mit einem unbehaglichen Gefühl entgegen. »Ich freue mich schon darauf, sie zu lesen«, sagte er. »Aber wie soll ich sie bezahlen?«
    Der Soldat lachte. »Immer noch der gute alte Thalius  – grundehrlich, aber so weltfremd, dass du darüber nachdenkst, wie du die Männer bezahlen sollst, die dich

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