Imperator
heidnischen Tempeln behaupten kann.«
Seit jenem schicksalhaften und letzten Besuch in Britannien vor all diesen Jahren hatte Konstantin sein Programm der Christianisierung des Reiches kontinuierlich vorangetrieben. Er hatte sich auf ein langes, geduldiges Spiel eingelassen, aber als die Macht der Heiden in den herrschenden Klassen und im Heer immer geringer geworden war, hatte er sich schließlich imstande gefühlt, das Christentum zur Hauptreligion des Imperiums zu erklären – und eine Reformation anzuordnen. Der Reichtum der heidnischen Tempel war der Kirche und der Staatskasse übereignet worden.
Audax rieb sich das glatt rasierte Kinn. »An einigen dieser Dinge war ich beteiligt. Es war ein vergleichsweise guter Plan zum Reichwerden, selbst für einen Kaiser, der immer eine Nase für Geld hatte, wie ein Hund für einen Knochen.«
Thalius lachte, fuhr jedoch bei dem Schmerz zusammen. »Ganz schön zynisch für einen Soldaten der Leibwache des Kaisers!«
Audax zuckte die Achseln. »Man kann realistisch und loyal zugleich sein, oder nicht?«
»Stimmt. So wie Tarcho.«
»Es überrascht mich nicht, dass der Claudius-Tempel noch steht. Selbst Konstantin hätte kaum die Anordnung erteilen können, seinen vergöttlichten Vorgängern geweihte Heiligtümer auszurauben – erst recht, wo er selbst zu einem Gott werden soll.«
Thalius fiel der Unterkiefer herunter. »Du machst Witze! Nachdem er sein Leben lang das Christentum verbreitet hat? Nun, hier wird es ein populärer Schachzug
sein. In Camulodunum haben sie Konstantin immer geliebt. Eine Soldatenstadt, weißt du. Und seine Mutter – sie erwägen, sie zur Schutzheiligen zu ernennen!«
»Nun, eins weiß ich sicher. Auf seine Weise war Tarcho ein guter Christ. Und er hätte auf gar keinen Fall hier begraben sein wollen.«
»Nein, wahrhaftig nicht«, sagte Thalius. »Komm, statten wir ihm einen Besuch ab.«
Sie durchquerten den Tempel, schlängelten sich zwischen den umlagerten Marktständen hindurch und gingen die Hauptstraße der Stadt entlang. Früher eine Achse des Invasorenkastells aus Claudius’ Zeit, war sie nun mit Schutt übersät, und die Rinnsteine waren von Schmutz verstopft.
Unterwegs sprachen sie über die Folgen jener Nacht, in der Aurelia versucht hatte, den Kaiser zu ermorden, der Nacht, die ihre Geschicke für immer miteinander verbunden hatte.
Konstantin hatte überlebt. Sein griechischer Arzt hatte gesagt, die Wunde sei zwar tief gewesen, zum Glück habe die schmale Klinge jedoch alle lebenswichtigen Organe verfehlt. Aurelia selbst, die ihren Fanatismus bis zum Augenblick des Angriffs vor Thalius geheim gehalten hatte, war sofort von den Klingen der kaiserlichen Leibgarde niedergestreckt worden, und das war ihr Ende gewesen. Tarcho hatte Thalius und Audax vor den Wachen abgeschirmt, aber sie waren alle in Haft genommen worden, als die Suche nach Komplizen begonnen hatte. Die verdienstvolle
Denkschrift, die Thalius unglückseligerweise bei sich getragen hatte, hätte ihn in der fiebrigen Atmosphäre eines paranoiden Hofes den Kopf kosten können. Thalius war immer der festen Überzeugung gewesen, dass Tarcho ihn gerettet hatte, indem er seinen Anklägern aus dem Militär gegenüber energisch die Ansicht vertreten hatte, Thalius sei naiv und unschuldig gewesen – einfach dumm, um das Kind beim Namen zu nennen.
Audax hingegen hätte hingerichtet werden können, ohne dass irgendwelche Fragen gestellt worden wären – zumindest hätte ihm die Folter gedroht, denn laut römischem Recht war die Aussage eines Sklaven nur dann gültig, wenn sie unter der Folter gewonnen worden war. Aber wenn Tarcho Thalius gerettet hatte, so war es Konstantin selbst gewesen, der Audax gerettet hatte. In jenen Momenten, als sie in einer Umarmung auf Leben und Tod miteinander verbunden gewesen waren, hatte der Kaiser etwas in dem Sklaven gesehen, was ihm gefiel, und er hatte gelobt, ihn zu beschützen. Als der Aufruhr sich gelegt hatte, hatte Thalius dem Jungen in aller Eile die Freiheit geschenkt und ihn Tarcho überantwortet, dem es seiner Ansicht nach viel besser gelungen war, die Sicherheit des Jungen zu gewährleisten, als er selbst es jemals vermocht hätte.
Was Ulpius Cornelius betraf, die andere Hauptfigur des Dramas, so hatte dieser lautstark den Missbrauch seines Vertrauens beklagt und sich in den Schatten des Hofes zurückgezogen, und Thalius hatte ihn
nie wiedergesehen. Und er hatte nie erfahren, ob Cornelius ein Komplize bei dem Mordversuch
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