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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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zurück.
    Einen Herzschlag lang rührte sich niemand. Audax und Konstantin waren durch das Messer miteinander verbunden; das Heft lag noch in der Hand des Sklaven, die Klinge steckte in der Brust des Kaisers. Konstantins Mund stand offen; Speichelfäden spannten sich zwischen seinen Lippen. Audax’ Hand, die gegen den ungeheuer warmen Körper des Kaisers drückte, fühlte sich klein an.
    Dann brach ein Pandämonium los. Helena schrie auf, die Soldaten brüllten und zogen ihre Waffen, und Thalius und Aurelia wurden gepackt und festgehalten. Aber niemand wagte es, den Kaiser oder den Jungen anzurühren.

    Konstantin hob die Hand, und alles erstarrte
    Der Kaiser atmete langsam und bedächtig und schaute Audax weiterhin in die Augen. »Beweg dich nicht«, sagte er auf Brigantisch.
    Audax war so überrascht, dass ihm ein paar Worte herausrutschten. »Ihr sprecht Brigantisch.«
    Vielleicht bewegte sich sein Arm dabei ein winziges bisschen. Konstantin schnappte nach Luft, und sein riesiger Körper erschauerte, als wäre er eine Marionette, gesteuert von dem Jungen und dem Messer.
    »Ich war hier Soldat«, sagte Konstantin atemlos. »Ich habe viele Jahre unter meinem Vater gedient. Dies war meine Heimat. Ich habe Britannisch gelernt. Wie heißt du? Niemand hat daran gedacht, es mir zu sagen.«
    »Audax, Herr.«
    »Audax. In Ordnung, Audax, hör mir genau zu. Es gibt zwei sehr wichtige Dinge, die ich dir sagen muss. Das erste ist: Ich weiß, es war nicht deine Schuld. Ich habe gesehen, wie die Frau dich gestoßen hat – wie ist ihr Name?«
    »Aurelia.«
    »Ja. Ich habe es gesehen. Also, ganz gleich, was heute geschieht, ob ich am Leben bleibe oder sterbe, du wirst nicht bestraft werden. Glaubst du mir?«
    Audax überlegte. »Nein«, sagte er.
    Konstantin knirschte mit den Zähnen. »Ich wünschte, meine Berater wären nur halb so ehrlich. Ich bin der Kaiser, Audax. Wenn ich ein Versprechen gebe, wird es gehalten. Also glaube mir.«

    »Was ist das zweite?«
    »Das zweite ist, dass ich als Soldat eine Menge über den menschlichen Körper gelernt habe. Größtenteils, indem ich Löcher in andere Menschen gebohrt habe. Und ich weiß, wenn du dieses Messer auch nur ein kleines Stück bewegst, durchtrennst du die Blutgefäße meines Herzens, und dann sterbe ich ganz bestimmt. Wenn du es nicht bewegst, bleibe ich vielleicht am Leben. Verstehst du jetzt, weshalb ich dich gebeten habe, dich nicht zu bewegen?«
    »Ja«, sagte Audax.
    Ja, er verstand. Aber sein ausgestreckter Arm wurde müde, und das Blut rann leuchtend rot aus den Gewändern des Kaisers und tränkte seine Hand in glitschiger Wärme. Er bewegte sich kaum merklich, auch wenn er sich noch so viel Mühe gab, stillzuhalten. Er konnte nicht anders. Und bei jeder ruckhaften Bewegung spürte er, wie der Kaiser in Reaktion darauf erbebte und sich wand. Audax hatte gesehen, wie gekreuzigte Sklaven auf diese Art zuckten und zappelten, winzige Bewegungen, während sie versuchten, den Schmerz in ihrer Brust und den Füßen zu lindern. Und so, wie Audax gelernt hatte, die Todesangst in den Gesichtern der Gekreuzigten zu erkennen, sah er jetzt die Furcht in Konstantins ergrauendem Gesicht, unter der Klammer der Gelassenheit.
    Der Kaiser sagte: »Siehst du den Mann hinter mir? Den hochgewachsenen Mann mit der Brille – mit den Glasstücken auf der Nase? Das ist mein Arzt – ein Grieche. Er heißt Philip, und er ist sehr gut. Wenn du
einverstanden bist, nimmt Philip dir das Messer ab, dann bleibe ich am Leben. Oder du kannst dich dafür entscheiden, das Messer zu drehen, dann sterbe ich.«
    Audax hörte Aurelia schreien: »Töte ihn, Sklave! Töte das Ungeheuer …« Dann wurde sie zum Schweigen gebracht, vielleicht von der schweren Hand eines Soldaten.
    Audax blieb reglos stehen. Ihm tat der Arm weh.
    Der Kaiser sagte: »Warum, glaubst du, will diese Frau, dass ich sterbe?«
    »Die Wörter auf meinem Rücken sagen, dass Ihr sterben werdet.«
    »Na schön. Aber was meinst du, Audax? Meinst du, deine Entscheidung sollte von einer Prophezeiung abhängen? Schau mich an. Was siehst du?«
    Audax betrachtete den Mann vor ihm: Er war stämmig und kräftig. Er erinnerte Audax an Tarcho. »Einen Soldaten«, sagte er.
    »Ja. Gut. Das bin ich in erster Linie, und das werde ich immer sein.«
    »Ich will auch Soldat werden«, sagte Audax.
    Konstantin nickte kaum merklich. »Dann verspreche ich dir, dass du einer sein wirst – wenn du beschließt, mich am Leben zu lassen. Aber es ist

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