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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Begriff, den Mond zu erobern?«
    Vespasian grunzte. »Wenn es so ist, dann wollen wir hoffen, dass die Mondmenschen rechtzeitig ihre Steuern entrichten.« Er berührte den Sekretär an der Schulter. »Jetzt muss ich darauf bestehen, dass du dort herunterkommst und uns erlaubst, dich in Deckung zu bringen.«
    Narcissus lächelte. »Ich bitte darum, Legat.« Und er stieg im Dunkeln unbeholfen von der Sanddüne herunter.

VI
    Während die Legionäre ihr Lager errichteten, bewirtete Vespasian Narcissus in einem kleinen Zelt so nah am Wasser, dass der Sekretär das Plätschern der Wellen hörte, und so nah an den Landungsbooten, dass sie in aller Eile die Flucht ergreifen konnten, falls es unerwartet Probleme geben sollte. Sie tranken Wein, aßen Obst, schauten aufs Meer und unterhielten sich leise. Ein paar Angehörige des Wachtrupps nutzen die Gelegenheit, die Füße im Ozean zu baden, damit dessen Salz sie von Pilzen und anderen Krankheiten befreite. Soldaten achteten immer auf ihre Füße.
    Nach ein paar Stunden war das Lager fertig. Als Vespasian ihn hindurchgeleitete, fiel Narcissus auf, wie ruhig und ordentlich alles war; es wirkte beinahe fröhlich. In den natürlichen Schutz eines Flussufers gekauert, ähnelte das Lager einer kleinen Stadt – eine stattliche Reihe von Lederzelten, umschlossen von sauber ausgehobenen Gräben. Außen herum waren Wachen postiert, und Narcissus wusste, dass im Rahmen des gestaffelten Verteidigungssystems weiter draußen im Land Kundschafter im Einsatz sein würden.
    Wider Erwarten spürte der Freigelassene, wie ihm ein Anflug von Stolz die Brust schwellen ließ. Vermutlich
gab es auf dieser ganzen verfluchten Insel keine so ordentliche Gemeinschaft wie diese, obwohl es lediglich ein wenige Stunden altes Marschlager war. Man konnte über die römischen Soldaten sagen, was man wollte – und Narcissus hätte keinen zum Nachbarn haben wollen –, aber sie beherrschten ihr Handwerk.
    Und das Lager war der Beweis, dass die Römer es ernst meinten, dass sie hier waren, um dieses groß angelegte Projekt zu Ende zu führen, dass sie hier bleiben würden. Natürlich verfolgte jeder von ihnen dabei seine eigenen Ziele, von Vespasian und ihm selbst bis hinab zum niedrigsten Angehörigen der Hilfstruppen. Selbst der Kaiser, der sich bereits auf seinem langsamen Weg von Rom hierher befand, war darauf aus, so viel zu bekommen, wie er konnte. Aber die Summe all ihrer individuellen Bestrebungen ergab den Traum von einem Reich.
    Vespasian brachte Narcissus zu dessen eigenem Zelt. Draußen war ein Legionär postiert, ein Rohling, der sogar Narcissus selbst zu misstrauen schien. Im Innern war das von irgendeinem anderen haarigen Soldaten auf dem Rücken über den Ozean geschleppte Lederzelt muffig und roch irgendwie nach Meer. Aber es enthielt eine Bettstatt, eine Schale mit getrocknetem Fleisch und Obst, Wasser- und Weinschläuche sowie eine kleine Öllampe, die unruhig brannte. Vespasian bot Narcissus an, ihm Gesellschaft zu leisten, aber der Sekretär lehnte ab. Bald würde die Morgendämmerung anbrechen, und er merkte, dass er Zeit brauchte, um zu schlafen und nachzudenken.

    Als er endlich allein war, löste er seine Tunika und legte sich auf das Lager. Er spürte die Anspannung in seinem Körper – die geballten Fäuste, das Zittern in seinen Eingeweiden. Er griff auf eine geistige Disziplin zurück, die ihm ein Gefangener von jenseits des Indus in seiner Sklavenzeit beigebracht hatte, und ließ sein Bewusstsein um den Körper herumschweben und die Anspannung in jedem Finger, jedem Zeh, jedem Muskel lindern.
    Dann versuchte er, sich auf die Erfordernisse des kommenden Tages zu konzentrieren. Er zweifelte nicht daran, dass die Unterwerfung Britanniens Monate, vielleicht sogar Jahre dauern würde. Aber am Morgen, wenn Aulus Plautius’ überschwängliche Legaten ihre Pläne für die erste Phase des Feldzugs weiterentwickelten, musste er bei klarem Verstand sein. Diese frühen Stunden waren entscheidend für die Verwirklichung der Pläne des Kaisers – und der seinen.
    Caesar hatte Britannien als Erster ins Blickfeld der römischen Welt gerückt, auch wenn er damit natürlich seine eigenen Ziele verfolgt hatte. Es war eine Zeit gewesen, in der das Gefüge der Republik unter dem Druck der gewaltigen territorialen Ausdehnung Roms geächzt hatte und die römische Welt von der gegenseitigen Antipathie starker Männer zerrissen worden war. Der Einfall in Britannien, einem geheimnisvollen Land

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