Imperator
jenseits des Furcht einflößenden Ozeans, hatte Caesars Glanz erheblich verstärken sollen.
Caesar hatte Britannien zweimal angegriffen und war dabei tief ins Landesinnere vorgedrungen. Aber
seine überdehnten Versorgungslinien waren stets verwundbar gewesen. Und wie jeder abergläubische Soldat in Aulus Plautius’ vier Legionen sehr gut wusste, waren Caesars Bestrebungen gescheitert, als das launische Wetter des Ozeans seine Schiffe zerstört hatte. Nach dem zweiten Rückzug hatte er geplant, ein drittes Mal wiederzukommen. Aber im darauf folgenden Sommer hatten Rebellionen in Gallien seine Kräfte in Anspruch genommen, und danach war er von dem Aufruhr abgelenkt worden, der die Republik in ihren letzten Tagen in Atem gehalten hatte – einem Aufruhr, der Caesar das Leben gekostet hatte.
Nicht dass Caesars Errungenschaften unbedeutend gewesen wären. Er hatte das Wissen der Römer über Britannien enorm erweitert. Und er hatte die Britannier, besonders jene im Süden, in Römerfreunde und Römerfeinde gespalten, eine Teilung, die Roms Diplomaten und Händlern sehr zupass kam.
Unter den ersten Kaisern war Britanniens Isolation jedoch bestehen geblieben. Der konservative, auf Konsolidierung und Reformen bedachte Augustus hatte keine so weitreichenden Ambitionen gehegt – und der Verlust dreier Legionen in einem dunklen germanischen Wald hatte ihn auch nicht gerade angespornt. Während der Regentschaft von Augustus’ Nachfolgern hatte die beschwichtigende, pragmatische Politik Cunobelins, eines lokalen Königs, den die Römer Cymbelinus nannten, den friedlichen Kontakt zwischen dem Reich und Britannien gefördert. Allerdings waren selbst in diesen Zeiten provisorische Pläne für die
Invasion Britanniens ausgearbeitet worden. Caligula war zwar labil gewesen, aber gewiss kein Narr, ebenso wenig wie seine Heerführer. Immerhin hatte er zu diesem Zweck in Gesoriacum einen Hafen mit einem Leuchtturm anlegen lassen.
Doch nun waren Cunobelin und Caligula tot, und auf beiden Seiten des Ozeans verfolgte eine neue Generation neue Ziele.
Erst vor zwei Jahren, in dem Chaos im Gefolge von Caligulas Ermordung, war Claudius von der Prätorianergarde, den Leibwächtern des Kaisers, auf den Thron gehievt worden. Seither hatte er sich dem Widerstand des Militärs, des Senats, der Equites und der Bürger gleichermaßen gegenübergesehen, obwohl er sich als überraschend fähiger, schnell dazulernender Herrscher erwies. Die militärische Macht war wie immer der Schlüssel, und Claudius brauchte in erster Linie einen militärischen Triumph – umso besser, wenn er vor aller Augen sogar die Errungenschaften Caesars in den Schatten stellen konnte. Die räuberischen Mätzchen der catuvellaunischen Fürsten in Britannien boten ihm da den idealen Vorwand.
Was Narcissus betraf, so würde er nur so lange überleben, wie er den Zielen seines Kaisers diente, auch wenn er dabei seine eigenen verfolgte.
Narcissus war als Sklave geboren. Wegen seiner Intelligenz und seines Charmes hatte er sich im Lauf der Zeit für eine Abfolge von Herren als so unschätzbar wertvoll erwiesen, dass es ihm gelungen war, bis in den kaiserlichen Haushalt vorzudringen – und in Claudius,
dem ersten Kaiser seit Augustus, der fähig war, einen scharfen Intellekt als wertvollste aller Waffen zu erkennen, hatte er einen echten Gönner gefunden. Claudius war es gewesen, der ihn freigelassen hatte. Und obwohl sein Titel nur »Korrespondenzsekretär« lautete, ab epistulis , war es Narcissus unter Claudius gelungen, seine Stellung zwischen dem Kaiser und dessen Untertanen zur Erlangung von Macht zu benutzen. Er hatte eigenen Reichtum angehäuft und sich sogar am gefährlichsten aller Spiele beteiligt, der Innenpolitik des kaiserlichen Haushalts, wo er sich in den unaufhörlichen Intrigen des Hofes mit Claudius’ neuester Gemahlin, Messalina, verbündet hatte.
In Rom war Narcissus also ein mächtiger Mann. Doch nun hatte ihn das Schicksal über den Ozean geführt, in eine Welt außerhalb der Zivilisation. Und was noch schlimmer war, es hatte ihn unter die Soldaten verschlagen.
Er verabscheute es, mit Soldaten zusammen zu sein. In ihrem Blick lag eine brutale Klarheit, und er wusste, wenn sie ihn anschauten, sahen sie nicht den Freigelassenen, nicht den mächtigen Verbündeten des Kaisers, sondern den ehemaligen Sklaven. Natürlich hatten die Offiziere die Pflicht, ihn zu beschützen – insbesondere Vespasian, der Narcissus viele Gefälligkeiten schuldete.
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