Imperator
über diese Wendung der Dinge zu sein.
X
Nachdem Hadrian seine Entscheidung getroffen hatte, ging alles sehr schnell.
Der Statthalter Nepos bestand darauf, dass zumindest ein Stück Land umgebrochen und ein paar Steine gelegt wurden, bevor Hadrian die Provinz verließ. Außerdem mussten dieses Jahr unbedingt schon einige Fortschritte erzielt werden, wenn das ehrgeizige Projekt die Aussicht haben sollte, innerhalb von Nepos’ dreijähriger Amtszeit als Statthalter vollendet zu werden. »Ich möchte, dass sich die Steine schneller aufhäufen als Blätter im Herbst«, verkündete Nepos.
Diese Anordnung versetzte Xander in Panik. Brigonius hatte das unangenehme Gefühl, dass Xanders Spielzeugarchitektur sich nicht ganz so reibungslos, wie er vorgegeben hatte, in ein reales, von fünfzehntausend bulligen Legionären auszuführendes Projekt übertragen ließ. Aber dem Willen eines Kaisers widersetzte man sich nicht. Ebenso wenig wie dem von Severa: Eiskalt, mit einer von der Prophezeiung geschürten Entschlossenheit, ließ sie keinen Raum für Zweifel. Folglich mussten sie alle ihr Bestes tun.
Hadrian hatte vor, zu der nördlichen Legionärsfestung Eburacum zu ziehen, um seine Truppen zu inspizieren.
Erneut ritten Severa und ihre Gruppe Hadrians Karawane voraus. Severa wollte jede Stunde nutzen, die sie herausschlagen konnte, um das Projekt schon vor dem Eintreffen des Kaisers auf den Weg zu bringen.
Aber die Reise nach Norden verlief für Severas Gruppe angespannt und unerfreulich. Sobald sie den befriedeten Süden verließen, trat die Herrschaft des römischen Militärs offen zutage. Hier gab es keine Städte, sondern nur militärische Vorposten. Das Land war mit Wachtürmen und Signalfeuerstellen übersät und aufgewühlt von den Überresten der Marschlager. Brigonius war hier aufgewachsen; seit drei Generationen war dies die Heimat seiner Familie. Als Junge hatte er sogar am Fuß eines strengen römischen Wachturms gespielt, der schon vor seiner Geburt in Banna errichtet worden war. Seine Reisegefährten fanden die Landschaft jedoch seltsam und beunruhigend und schauten kaum aus den Kutschen. Xander und Karus vertieften sich unablässig in Pläne ihres Walls, Lepidina hockte zusammengekauert über ihren Gedichten, und selbst Severa war in gedrückter Stimmung. Für sie war dies der Rand der Welt, hinter dem nur ein Chaos lag, das die ruhigen Lichter der Zivilisation auszublasen drohte.
Einmal versuchte Brigonius, Severa und Lepidina in ein Gespräch über diese Dinge zu verwickeln. Er sprach von Geschichten, die immer noch an brigantischen Feuern erzählt wurden, von Sagen über Dynastien aus der Bronze- und Steinzeit, eine mündliche Überlieferung, die Jahrtausende zurückreichte.
»Ich weiß von einer meiner Tanten, dass Agrippina, meine Urgroßmutter, ihren Töchtern solche Geschichten erzählt hat …«, begann Lepidina.
Severa schnitt ihr das Wort ab. »Das ist alles barbarischer Unsinn. Jeder weiß, dass Britannien von Flüchtlingen aus Troja besiedelt wurde. Deshalb hat Caesar es hier mit trojanischen Streitwagen zu tun bekommen. Und das ist es, was wir sind: Trojaner, Menschen von guter mediterraner Herkunft, ein paar Generationen später. Ich will nicht mehr darüber reden.«
Schließlich näherte sich die Gruppe Eburacum. Die Legionärsfestung lag auf einer Hügelkuppe am nördlichen Ufer eines Flusses. Ihre Mauern waren quadratisch und kompromisslos, und eine Hüttensiedlung von Händlern, Soldatenfamilien und anderen Trabanten breitete sich außerhalb der Festungsmauern und südlich des Flusses aus. Eburacum war eines von sechs militärischen Machtzentren in der Provinz, zu denen noch zwei Legionärsfestungen und die drei coloniae , einschließlich Camulodunum, gehörten. Wie um die Dauerhaftigkeit des imperialen Würgegriffs um Brigantien zu betonen, waren die Befestigungsanlagen von Eburacum im letzten Jahrzehnt aus schwerem Stein neu errichtet worden.
Sie gelangten an ein Tor in der Festungsmauer. Hier gebot ihnen eine Einheit von Soldaten unter dem Kommando eines Dekurios Halt und befahl ihnen, aus den Kutschen zu steigen, damit ihr Gepäck durchsucht werden konnte.
Während sie am Tor warteten, gelang es Brigonius
endlich, Lepidina von den anderen wegzumanövrieren. Nach seiner Stunde mit ihr in Camulodunum und jenem Blitzschlag der Leidenschaft war er praktisch nie mehr mit dem Mädchen allein gewesen.
»Du bist schon seit Tagen sehr still«, sagte er.
Sie schnitt eine Grimasse.
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