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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Grenzkontrolle entlang einer Linie ein paar Meilen südlich des vorgeschlagenen Walls. Dort dienten bestehende und durch eine gute Straße verbundene Kastelle, darunter Vindolanda, bereits als Basis für eine schnelle und flexible Reaktion auf etwaige Schwierigkeiten. Wäre es nicht besser, diese schon vorhandene Barriere zu verstärken, anstatt mit dem Bau einer neuen zu beginnen?
    Xander war kein Militär, und zu seinem Glück blieb die Frage in der Diskussion unter Hadrians Beratern stecken, die sich in einen offenbar schon seit längerem schwelenden Streit darüber stürzten, ob eine sorgfältig geplante Befestigungsanlage auf lange Sicht nicht eine bessere Lösung des Problems der nördlichen Grenze darstellen würde. Hadrian ließ diese Diskussion eine Weile laufen, aber sie führte zu keinem Ergebnis.
    Der letzte Einwand wurde zaghaft von einem älteren Mann erhoben, einem erfahrenen Soldaten, der im Norden gedient hatte. Er wies bedächtig darauf hin,
dass der vorgeschlagene Wall mitten durchs Heimatland der Briganten führen würde. »Und die brigantischen Fürsten, die überlebenden jedenfalls, sind einflussreiche Leute in der lokalen Regierung«, sagte er. »Sie werden sich womöglich nicht so einfach damit abfinden, dass ihre Felder in zwei Teile zerschnitten werden.«
    Aber niemand unter den Höflingen nahm die Einwände von Provinzlern sonderlich ernst.
    Hadrian beugte sich vor, und alle verstummten. Er sprach in verschnörkeltem Griechisch, und Karus übersetzte im Flüsterton für Brigonius. »Die Idee gefällt ihm. Es ist ein kühnes Manifest. Aber er ist ein praktischer Mensch, der seine Sesterzen zählt. Er hat eine Grenzbefestigung aus Grassoden und Holz entlang des Rheins errichtet; ob das hier nicht auch ausreichen würde? Schließlich stellten die Nordbritannier keine so große Bedrohung dar wie die Germanen jenseits des Rheins.«
    Das war der entscheidende Einwand, und Severa erhob sich. Unter den Höflingen wurden angesichts der Einmischung einer Frau Augenbrauen hochgezogen, aber man ließ sie reden. »Ein Wall aus Holz und Gras wird für einen Germanen reichen – aber einem Griechen hätte er niemals gereicht.« Und sie sprach von spektakulären langen Wällen, die die Griechen vor Jahrhunderten gebaut hatten und die Orte verbanden, von denen Brigonius noch nie gehört hatte: Sie führten von Athen nach Piräus und über schmale Meerengen wie bei Korinth. »Der Wall wird in der besten griechischen
Tradition stehen«, sagte Severa, »aber mit seinem glänzenden, undurchdringlichen Stein wird er Meile für Meile ein wahrhaft römisches Manifest sein.« Xander, der ihr all dies zugeflüstert hatte, sah erfreut aus.
    Hadrian wirkte beeindruckt.
    Karus’ Augen waren feucht. Er flüsterte Brigonius zu: »Dieser Verstand, dieses Feuer – dieser wogende Busen! Ist sie nicht wundervoll?«
    Dem Kaiser reichte es allmählich mit den geschäftlichen Angelegenheiten. Die Höflinge lehnten sich zurück, Musik erklang, und eine Truppe von Tänzern, Jongleuren und Akrobaten stürmte in den Raum.
    Nepos trat auf Xander zu und klopfte ihm auf den Rücken, eine forsche Soldatengeste, die den kleinen Architekten zusammenzucken ließ. Auf Lateinisch sagte er: »Als ich Statthalter in Thrakien war, gab es einen solchen Wall in meiner Provinz, bei Gallipoli. Sechshundert Jahre alt, haben mir die Historiker erklärt, und er steht noch heute.« Er wandte sich wieder dem Kaiser zu. »Dein Bau wird wahrhaftig in einer großartigen Tradition stehen, kleiner Grieche!«
    Hadrian lächelte.
    Aber Nepos’ Formulierung – »kleiner Grieche« – schockierte Severa. »Wie hat er ihn genannt?«
    Nepos hatte ein lateinisches Wort benutzt: »Graeculus«, kleiner Grieche. »Das ist nur ein Spitzname aus Hadrians Kindheit«, sagte Karus. »Er hatte schon damals eine Vorliebe für alles Griechische …«
    Severa drehte sich zu ihrer Tochter um, die ebenso
überrascht dreinschaute wie ihre Mutter. »Die Ankunft von Roms großem Sohn … auch wird man ihn als kleinen Griechen kennen … als kleinen Griechen! So steht es in der Prophezeiung, Mutter. Ach du meine Güte! Es wird wahr, es wird wirklich wahr …«
    Der Kaiser und seine Höflinge unterhielten sich weiterhin fasziniert über Xanders Modell, ohne zu bemerken, welch metaphysischen Schock die Initiatoren des Projekts erlitten hatten.
    Und als Brigonius aufblickte, schaute er in die kalten Augen von Primigenius. Der Freigelassene schien alles andere als erfreut

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