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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hat Angst vor ihr – und nicht nur wegen der Klinge des Attentäters. Er ist ein Gelehrter, der weiß, dass die Geschichte unheilvolle Warnungen für die Römer birgt, denn Imperien sind auch früher schon gekommen und gegangen; selbst das Reich des mächtigen Alexander hat dessen Tod kaum überdauert. Denkt an diese jüdische Rebellion unter Trajan – in Britannien kaum bekannt, aber eine schreckliche
Katastrophe im Osten. Im Gegensatz zu uns Britanniern wollen die Juden keine Römer werden; es ist ein Zusammenprall von Grundhaltungen, ein aufrüttelnder Schock für die Römer. Trotz Xanders Spott halte ich Hadrians Graecophilie für nötig – nicht nur aus persönlichen, sondern auch aus politischen Gründen. Der Kaiser verkörpert die Identität des Imperiums, das griechisch und römisch ist, und darum muss er angesichts der jüdischen Herausforderung griechischer sein als die Griechen.
    Kein Wunder, dass Hadrian sich sogar noch mehr Sorgen über die Zukunft macht als über die Vergangenheit. Wohin er auch geht, überall zieht er Astrologen, Mystiker und Wahrsager zu Rate. Und ein nachdenklicher Mensch wie Hadrian will sicher Spuren in seinem Reich, in der Geschichte hinterlassen. Was sonst könnte seine Bedeutung im Leben nach dem Tode gewährleisten?«
    Karus hörte mit glänzenden Augen zu. »Ist sie nicht wundervoll?«, flüsterte er Brigonius zu. »Wie ich dir gesagt habe: Es ist, als stünde sie außerhalb der Zeit.«
    Lepidina sagte: »Der arme Mann.«
    »Wer?«, fragte Brigonius.
    »Der Kaiser. Wenn er wirklich derart gepeinigt wird. Vielleicht fände er Trost, wenn er den Lehren Jesu Christi folgte. Dann verstünde er nämlich, dass Städte und Reiche nicht zählen. Sie vergehen alle, sogar Rom. Aber die Stadt Gottes bleibt ewig bestehen.«
    Severa funkelte sie an. »Dieser judäische Renegat hat versprochen, dass alle gerettet würden, nicht nur
Kaiser, sondern auch Sklaven. Was nützt das irgendwem? Jetzt verschone uns mit deinem törichten Fimmel, Lepidina.«
    »Das ist kein törichter Fimmel«, gab Lepidina zurück. »Weshalb ist unsere Prophezeiung sonst mit ihm verbunden? Selbst Kaiser Claudius hat bemerkt, dass Nectovelin im selben Jahr geboren wurde wie der Judäer!«
    »Vergiss Kaiser Claudius. Ich bin deine Mutter, und ich sage dir, dass die Bestimmung unserer Familie nichts mit irgendso einem armseligen Unruhestifter aus dem Osten zu tun hat. Und außerdem …«
    »Pst«, machte Xander. »Wir sind dran.«
    »Wurde auch Zeit«, brummte Karus. »Mir platzt gleich die Blase.«
    Die fünf – Severa, Lepidina, Karus, Brigonius und der nervöse Xander – traten auf den Tisch des Kaisers zu; der Architekt beaufsichtigte zwei schwitzende Sklaven, die sein Modell auf einer Holzplatte trugen.

IX
    Severa stellte sich und ihre Gruppe vor. Dann erteilte sie Xander das Wort. Der kleine Grieche stand furchtlos da, fand Brigonius, so furchtlos, wie nur der Repräsentant einer älteren Kultur vor dem einer jüngeren stehen konnte, ungeachtet solcher Nebensächlichkeiten wie weltumspannender Macht.
    Xander sprach griechisch, und Brigonius bekam nur wenig von seinem Vortrag mit. Er begann mit einer allgemeinen Abhandlung über das Problem von Reichsgrenzen und verwies dabei auf historische Ereignisse bis zurück zu den Kriegen zwischen den Nachfolgern Alexanders des Großen. Währenddessen stand sein kostbares Modell aufreizend verhüllt neben ihm auf dem Boden.
    Karus hatte Brigonius gewarnt, dass es so sein würde. »Die Römer lieben Reden«, hatte er gesagt.
    Brigonius, der höchstens jedes vierte Wort verstand, merkte, dass seine Aufmerksamkeit abschweifte. Unter den Soldaten und Gelehrten am Hof des Soldatenkaisers gab es nur wenige Frauen. Eine von ihnen, eine schöne, aber mürrisch dreinschauende Frau, musste Hadrians Gemahlin Sabina sein, die angeblich von ihrem Großonkel Trajan in eine lieblose Ehe mit dem
von ihm favorisierten Erben gezwungen worden war. Eine ältere Frau war bestimmt die berühmte Plotina, die Gattin des verstorbenen Trajan. Brigonius fragte sich, welche Spannungen hinter der ziemlich kalten Fassade dieser kaiserlichen Familie verborgen lagen.
    Hadrian hörte zwar zu, wirkte jedoch unruhig und unkonzentriert, ja sogar gelangweilt. Brigonius wusste, dass Hadrian sich als Gelehrten betrachtete. In einem Imperium, das Griechenland, Ägypten und Mesopotamien umfasste, einem Imperium wie einem riesigen Museum der Zivilisationen, musste ihm Britannien wahrlich öde

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