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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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musste man ein paar Meilen bis zum eigentlichen Wall marschieren. Dann musste man die Formation auflösen, um zum einen oder anderen Tor zu gelangen und hintereinander hinauszumarschieren, und genau wie Tullio erwartet hatte, sahen sich Legionäre in voller Kampfrüstung hinter Bauern mit ihren Karren und Schafherden in der Schlange stehen. Auf der anderen Seite des Walls musste man dann erneut Marschordnung annehmen. Während all dieser Zeit war man schrecklich verwundbar für einen Angriff.
    »Es hat einfach nicht funktioniert«, sagte Sabinus mit kühner Unverblümtheit.
    »Es ist sogar noch schlimmer«, sagte Tullio. »An manchen Stellen muss man den Fluss überqueren, um von den Kastellen zum Wall zu gelangen! Ich bin für den Wall verantwortlich gewesen, und ich sage es höchst ungern, aber wir sollten das ganze erbärmliche Ding abreißen. Unter Trajan sind wir ohne jeden Wall besser gefahren.«
    Xander, klein, dick und nervös, stand sofort auf und schüttelte die Hand ab, mit der Severa ihn zurückhalten wollte. »Was wir angefangen haben, müssen wir auch zu Ende bringen«, erklärte er mit Nachdruck in seinem stark akzentuierten Latein. »Man kann die Leistung des Walls als System nicht beurteilen, solange er nicht fertig ist, ebenso wenig wie man erwarten kann, dass ein Karren schon mit zwei Rädern fährt. Wenn mein Entwurf vollständig verwirklicht worden ist …«

    »Wird der Plan immer noch nicht funktionieren«, sagte Tullio rundheraus. »Weil er immer noch die Fehler haben wird, die wir heute festgestellt haben. Verwundbarkeit von Süden her. Ungeeignete Durchgänge.«
    Sabinus nickte. »Mein Legat würde dem beipflichten. Wir müssen auch an die längerfristigen Implikationen einer solch statischen, starren Grenze für das Imperium als Ganzes denken. Allein schon die wirtschaftlichen Folgen …«
    Nepos hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Jetzt merkt man dir deine Ausbildung an, Iulius Sabinus«, sagte er trocken. »Mir bleiben nur ein paar Jahre auf diesem Stuhl; ich muss in kurzen Zeiträumen denken, nicht in langen.«
    Severa sagte rasch: »Im Land ist der Wall schon zu einem deutlich sichtbaren Zeichen der römischen Stärke geworden. Ihn jetzt aufzugeben, wäre ein klares Zeichen der Schwäche. Ein Rückzug.« Brigonius merkte, dass sie die Gefühle der Soldaten zu manipulieren versuchte, um ein gewisses Maß an Kontrolle über das Projekt zu behalten.
    Nepos seufzte. »Leider muss ich dir darin zustimmen, Frau. Eine Aufgabe des Walls würde der Kaiser nicht akzeptieren. Das würde ihm in Rom schaden. Der Wall existiert, ob es uns passt oder nicht. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir weitermachen wollen, nicht darüber, wie wir lieber angefangen hätten.« Er wandte sich an Xander. »Wir werden dein kostbares Monument nicht einebnen, Architekt. Aber welche
Änderungen würdest du vornehmen, um seine Mängel zu beheben?«
    Xander hatte sich unglücklicherweise in ein Schneckenhaus aus verletztem Stolz zurückgezogen. Er schrie den Statthalter beinahe an: »Der Entwurf kann nicht verändert werden! Er muss umgesetzt werden!«
    Tullio zog eine Augenbraue hoch, und Brigonius glaubte zu spüren, wie eine Woge der Erbitterung die Römer in dem Raum erfasste. So sind sie, die Griechen .
    Der ehrgeizige Sabinus sah seine Gelegenheit gekommen. »Wenn ich darf, Statthalter? Ich habe mir die Freiheit genommen, ein paar Modifikationen an Xanders Entwurf zu zeichnen, welche die Einwände, die wir heute gehört haben, vielleicht entkräften würden.« Er hielt eine Schriftrolle hoch. Auf Nepos’ zustimmendes Nicken hin breitete er sie auf einem niedrigen Tisch vor dem Statthalter aus. Brigonius sah, dass es eine grobe Holzkohle-Skizze der Mauer mit Kastellen und Gräben war.
    »Zunächst einmal«, begann Sabinus, »die Verwundbarkeit von hinten. Wie du siehst, habe ich eine zusätzliche Wall- und Grabenanlage auf der Südseite hinzugefügt.« Der Querschnitt, den er gezeichnet hatte, zeigte einen Graben von rund zwanzig Fuß Breite am oberen Rand und zehn Fuß Tiefe, eingefasst von Aufschüttungen mit einem Durchmesser von zwanzig Fuß, die jeweils rund dreißig Fuß vom Rand des Grabens entfernt waren. »Diese Anlage wird ein Stück vom Wall zurückgesetzt sein und dadurch im Süden eine geschützte Zone erzeugen, einen Sicherheitsstreifen,
wenn man so will, zu dem Zivilisten keinen oder nur kontrollierten Zutritt haben. Bei den Kastellen wird es natürlich kontrollierte Durchgänge

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