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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Banna ereignet, wo eine Schar junger Männer den noch unfertigen Grassodenwall angezündet, den Verteidigungsgraben eingetreten und die neue Grenze der Römer insgesamt übel zugerichtet hatte.
    Die ganze Nacht hindurch saß Tullio in seinem improvisierten Kommandoposten und grübelte über Karten und Listen mit den Namen und Nummern von Abteilungen auf hastig aufgestellten Tischen. Aufzeichnungen, Tabellen, Listen, Informationen, Informationen: Noch während das Land wie ein aufgestörter Ameisenhaufen kochte, waren Kommunikation, Geduld und Überlegung der Schlüssel zur römischen Reaktion. Als Brigonius hier saß, wurde ihm klar, wie falsch Matto mit seinem Widerstand gegen die Kulturtechniken der Römer gelegen hatte, denn sie waren die entscheidende Waffe der Armee. Durch Worte und Zahlen auf Papier konnten römische Kommandeure ihre Befehle unzweideutig über Hunderte von Meilen übermitteln, und die blutigen Lektionen der Vergangenheit waren ohne Irrtum oder Verzerrung für immer gespeichert.
    Während Tullio und sein Stab arbeiteten, brachte ihnen der brigantische Sklavenjunge etwas zu essen und weiteren Soldatenwein. Brigonius fragte sich, was im Kopf des Jungen vorging, was die Erhebung für ihn bedeutete. Wo war seine Familie – nördlich oder südlich von hier? Aber Familien, ja sogar Namen waren ohne Belang, sobald man ein Sklave war; man hatte
keine Vergangenheit, keine Zukunft, keinen Daseinszweck außer dem, den der Herr einem zuwies. Selbst die eigenen Kinder waren Sklaven und bekamen Wurfnamen vom Herrn: »Erstgeborener« (Primigenius) vielleicht, »Ähnlicher« (Similis) oder »Kümmerling«. Aber in einer solchen Lage, dachte Brigonius, musste selbst der gefügigste Sklave eine Regung in seinem Herzen spüren.
    Die lange Nacht zog sich zäh dahin. Karus trank sich auf einer Soldatendecke in den Schlaf. Der nervöse, angesichts dieser echten Krise jedoch verblüffend stoische Xander hüllte sich in seinen Mantel und saß schweigend da, mit großen Augen. Lepidina kuschelte sich an Brigonius, und Brigonius hieß dieses Echo ihrer kurzen Liebe willkommen, obwohl er wusste, dass sie nur Trost suchte. Was ihn selbst betraf, so konnte er nicht schlafen.
    Die Sonne ging schon auf, als endlich die Trompeten erschallten. Brigonius ließ Lepidina auf eine Decke gleiten und begab sich hinaus, ohne seine Gefährten aufzuwecken.
    Einheiten von Soldaten formierten sich und machten sich bereit, auszurücken und dem Feind entgegenzutreten. Brigonius hörte, wie Tullio und seine Adjutanten ihre Informationen überprüften und den rangniederen Offizieren Befehle erteilten. Die Römer hatten ihre Reaktion aufgeschoben, bis sie eine ausreichend große Konterstreitmacht aus Abteilungen der Hilfstruppen in Banna, anderen Lagern in der Nähe und den Kastellen hinter der Walllinie zusammenstellen
konnten. Die Legionärstruppen, die zu den Bauarbeiten am Wall eingeteilt waren, griffen ebenfalls zu den Waffen, hielten sich aber zurück, während andere, besser ausgerüstete Einheiten aus der Legionärsfestung Eburacum vorrückten. Die Hilfstruppen würden die Hauptlast des Kampfes tragen, während die Legionen in Reserve gehalten wurden, denn man rechnete nicht mit einer großen offenen Feldschlacht …
    Und so weiter. So sollte das System funktionieren. Dank seiner schnellen Kommunikationswege, des exakten Berichtswesens und seiner Flexibilität konnte das numerisch niemals starke Heer rasch und effizient eingesetzt werden und seine Kräfte genau dort bündeln, wo sie am meisten benötigt wurden. Das Heer selbst war eine Hochtechnologie, sah Brigonius, im Verlauf jahrhundertelanger Eroberungen geschliffen und perfektioniert.
    Währenddessen machten sich die Soldaten einzeln bereit. Brigonius hatte jahrelang mit römischen Soldaten zusammengearbeitet. Obwohl sie den Brittunculi , zu deren Beaufsichtigung sie hier postiert waren, manchmal Hohn und Spott entgegenbrachten, wirkten sie auf ihn in zunehmendem Maße entwaffnend normal: ganz gewöhnliche Burschen, die ihre Arbeit machten und nichts anderes wollten als essen, schlafen und hin und wieder eine Frau. Doch nun sah er diese Männer so, wie sie wirklich waren. In ihrer Rüstung, die ihnen passte wie eine zweite Haut, Waffen mit der beiläufig vertrauten Berührung eines Liebhabers schwenkend, waren sie kaum noch menschlich, dachte
er; sie waren ausschließlich aufs Töten erpichte Muskelberge. Und als sie sich zu ihren straffen, disziplinierten Einheiten formierten,

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