Imperfect Match - Liebe ist eigenwillig
wir uns eingemietet hatten. Vornehme, meist dreistöckige Häuser mit weißer Fassade und stattlichen Pfeilern und Ornamenten an der Front bestimmten das Bild. Die Vorgärten waren grün und die Straße wurde von erstaunlich vielen Bäumen gesäumt. Es gab sogar ein paar gepflegte Parkanlagen zwischen den Häuserblöcken, die dazu einluden, sich an einem sonnigen Tag auf eine der hellen Bänke zu setzen, den Kopf in den Nacken zu legen und einfach nur vor sich hin zu dösen. Schwer vorzustellen, dass es hier Kakerlaken gab. Jedenfalls keine ohne Frack, die sich mit höflichem Gruß verbeugten, wenn man ihnen begegnete. So drückte es jedenfalls Ben aus und Colin lachte höflich. Er mochte diese Viecher wirklich nicht.
Von innen hielt das Haus, in dem sich unsere Unterkunft befand, nicht ganz, was es von außen versprach. Der Teppich im Flur war fleckig und die Wände benötigten ganz dringend mal einen neuen Anstrich. Dasselbe galt für unser Apartment. Es war für drei Personen gedacht, aber keiner von uns konnte sich vorstellen, dass drei erwachsene Menschen hier schlafen und für längere Zeit leben konnten. Früher oder später würde man das Shining bekommen und sich gegenseitig umbringen.
Unsere Bleibe erstreckte sich zwar über zwei Etagen, jedoch war sie so eng, dass man, wenn man hochgewachsen war und lange Arme hatte, ohne große Mühe beide gegenüberliegenden Wände mit den Fingerspitzen berühren konnte, wie Colin, obwohl er sie selbst ausgesucht hatte, herumjammernd bewies. Ihm gefiel das Apartment gar nicht. Zu klein, zu wenig schick, zu hellhörig. Er fragte sogar Anna, ob er nicht bei ihr schlafen könnte – getarnt als unheimlich komischer Witz. Zu meinem Glück lehnte sie lachend ab und behauptete, ihre Wohnung sei noch sehr viel kleiner und man könne dort ganz gewiss keine drei Leute für fünf Tage unterbringen.
Mir selbst gefiel das Apartment sogar. Gut, es war klein und ein wenig schäbig – der Schimmel an den Rändern der Waschbecken sowohl in der Miniküche als auch dem Bad im oberen Geschoss hätte nicht sein müssen – aber es gab eine funktionierende Dusche, bei der das heiße Wasser gleich aus dem Hahn kam und nicht erst in einem Boiler erhitzt werden musste. Und wir konnten uns in der Küche selbst versorgen! Außerdem gefiel mir das breite Bett und der Fakt, dass das zweite Bett nur eine zusammenfaltbare Matratze am Boden war, störte mich, im Gegensatz zu Colin, überhaupt nicht. So waren wir wohl gezwungen, in einem Bett zu schlafen, wenn sich nicht einer von uns den Rücken grün und blau liegen wollte. Eine Perspektive die meine Laune gleich erheblich verbesserte.
Auch wenn Colin es nur ungern zugab: Nachdem wir den Tisch in der Ecke am Fenster gedeckt und uns auf unseren (leider etwas schiefen und klapprigen) Stühlen niedergelassen hatten, kam doch direkt ein klein wenig Gemütlichkeit auf und Colins Bedürfnis, sofort ein neues, besseres Apartment zu verlangen, verflüchtigte sich unter unserem fröhlichen Geplapper und dem leckeren Essen. Auch ich wurde immer zufriedener. Im Großen und Ganzen war unsere erste Begegnung doch sehr erfreulich und ohne Patzer verlaufen – wenn man von Colins nervigem Flirtverhalten absah, das er auch beim Essen nicht abstellen konnte. Anna war so nett, wie sie auch schon immer im Chat gewesen war, und ihr Bruder Ben war ebenfalls furchtbar liebenswürdig und besaß einen großartigen Humor.
Ich war mir nach einer Weile sicher, dass wir alle eigentlich tolle Freunde werden konnten, wenn nicht diese riesige von mir konstruierte Lüge wie eine unsichtbare Wand zwischen uns stehen würde – nur für mich und vielleicht auch für Colin spürbar. Nur diese machte es mir schwer, mich völlig zu entspannen, und ließ mich insgeheim hoffen, dass Ben und Anna, so viel Spaß wir auch hatten, möglichst bald verschwinden würden. Ich brauchte endlich Zeit allein, um meine Gedanken zu sortieren, mich auszuruhen und später auch Pläne für die nächsten Tage zu machen.
So war ich Anna äußerst dankbar, als sie sich nach einer Weile in ihrem Stuhl zurücklehnte, zufrieden einatmete und dann ihren Bruder auffordernd ansah. „Wollen wir langsam los?“ fragte sie ihn. „Ich denke, Emma und Colin brauchen mal ein bisschen Zeit allein, um sich von der anstrengenden Reise auszuruhen und sich hier ein bisschen einzurichten.“
Was war meine Night doch einfühlsam! Ich hätte sie knutschen können!
„Ach was! Ihr stört doch nicht!“ platzte es aus
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