Imperfect Match - Liebe ist eigenwillig
glaubte, darin zu ertrinken. Was ich jetzt brauchte, war jemand, der mir zuhörte, der mich in den Arm nahm und tröstete und mir sagte, dass alles wieder gut wurde. Nur konnte ich weder Anna noch Ben dazu nutzen (Bens Namen nur zu denken, tat schon unheimlich weh) und Colin war nur manchmal die richtige Person für die Behandlung solcher immensen Probleme. Und was das Schlimmste war: Er war gar nicht da!
Mein gestern noch schwerstkranker bester Freund hatte das Weite gesucht. Das sagte mir nicht nur die Totenstille in unserem Apartment sondern auch das Fehlen seiner Jacke und seiner Schuhe. Wo zur Hölle war er hin? Warum ließ er mich ausgerechnet jetzt allein? Gut, eigentlich war ich ja den halben Tag nicht dagewesen, aber das hieß doch nicht, dass er plötzlich einen auf gesund und munter machen musste und sein Krankenbett unerlaubt verlassen durfte.
Ich plumpste schwer wie ein Sack auf das Bett, ließ die Schultern hängen und schloss die brennenden Augen. Colins Abwesenheit machte mich noch trauriger, als ich ohnehin schon war, und ich hatte große Mühe, meine Tränen noch weiter zurückzuhalten, während ich mein Handy aus meiner Tasche kramte. Mein Kinn zitterte bereits, als ich Colins Nummer anwählte und als sich dann auch noch mein Akku kurzfristig meldete, um meine Verbindung zur Außenwelt abzuschneiden, machten sich die ersten Tränen selbstständig.
Die Zeit, mich richtig in einen Heulkrampf hineinzusteigern oder schluchzend das Aufladekabel zu suchen, hatte ich allerdings nicht, denn nur eine halbe Minute später hörte ich Schritte auf dem Flur. Dann wurde bereits der Schlüssel ins Schloss gesteckt, herumgedreht und Colin trat ein, mit immer noch roter Nase, aber fröhlich funkelnden Augen und sichtbar guter Laune.
„Heeey, du bist ja wieder da!“ freute er sich, nahm sich aber nicht die Zeit, mich genauer anzusehen und damit festzustellen, dass es mir echt dreckig ging. Stattdessen lief er mit den Einkaufstüten, die er bei sich trug, direkt auf die Treppe zu, machte dabei eine halbe Drehung, rief mir stolz „Ich habe eingekauft!“ zu und eilte hinauf zur Küche.
„Richtig leckere Sachen für morgen zum Frühstück!“ rief er weiter zu mir hinunter, während er oben begann die Sachen auszupacken und in den Kühlschrank zu räumen. „Und heute Abend gibt’s Spagetti á la Colin!“
Ich reagierte nicht auf seine Ankündigung, starrte nur weiterhin traurig Löcher in die Luft und wischte mir ab und an eine Träne von der Wange, weil diese einfach nicht aufhören wollten zu laufen.
„Ben hatte übrigens Recht“, fuhr Colin fort. „Ein bisschen Bewegung ist sogar gut für einen, wenn man krank ist. Ich bin gestern Nacht, nachdem ihr weg wart, kurz spazieren gegangen und hab das heute schon zweimal gemacht.“
Er kam wieder die Treppe hinuntergetrabt, sportlich geschmeidig wie eh und je. Dass er krank war, merkte man nur noch daran, dass seine Stimme ein wenig heiser war und er ab und an schniefte. Deswegen bekam er wohl auch nicht mit, dass ich dasselbe verdächtige Geräusch von mir gab.
„Und beim zweiten Mal, dachte ich mir, ich kann auch gleich einkaufen gehen und die liebe Emma überraschen.“ Er blieb vor dem Spiegel stehen und richtete sein Haar in gewohnter Eitelkeit. „Da siehst du mal: Ich komme auch allein klar und kann nebenbei noch für andere sorgen. Ich brauch dich gar nicht.“
Es war ein harmloser, kleiner Witz. Das wusste ich genau. Dennoch gab er mir den Rest. Ich schluchzte laut auf, verbarg mein Gesicht in meinen Händen und begann so richtig loszuheulen.
Ein paar Sekunden lang blieb Colin still. Dann hörte ich, wie er sich mir näherte. „Heulst du etwa?“ war seine feinfühlige Reaktion auf meine Tränen.
Beherrschung, Emma! fuhr ich mich innerlich selbst an und das half ein kleines bisschen. Ich nahm die Hände vom Gesicht, presste die Lippen aufeinander und schüttelte vehement den Kopf, jedoch konnte ich damit nicht über meine roten Augen und die tränennassen Wangen sowie das weiterhin leicht zitternde Kinn hinwegtäuschen. Und dann tat Colin auf einmal das, was er schon seit langer, langer Zeit nicht mehr getan hatte: Er wurde zu dem weichherzigen, mitfühlenden Menschen, der irgendwo ganz tief in seinem Inneren vor sich hin schlummert.
„Oooh, Emma“, brachte er in diesem weichen, liebevollen Tonfall heraus und als er mich dann auch noch in seine Arme zog, konnte ich nicht länger an mich halten: Ich warf die Arme um seinen Nacken, drückte
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