Imperium
in der Hoffnung, vielleicht Margaret Sherwood über den Weg zu laufen. Doch er bekam sie an diesem Vormittag nicht zu Gesicht.
467
Mittags kam er ein paar Minuten zu spät zum Lunch und stellte fest, daß Mrs. Sherwood nun an der gegenüberliegenden Tischseite saß, zwischen dem General und Dr. Percival. Sie blickte nicht einmal auf, als Townsend sich setzte. Claire, die wenige Minuten später kam, hatte keine Wahl, als sich neben Townsend zu setzen, begann jedoch sogleich ein Gespräch mit Mr. Osborne.
Townsend versuchte zu verstehen, was Mrs. Sherwood zum General sagte – in der Hoffnung, es würde ihm irgendein Vorwand einfallen, sich an ihrer Unterhaltung zu beteiligen.
Doch Mrs. Sherwood erzählte nur, daß dies ihre neunzehnte Kreuzfahrt rund um die Welt sei und daß sie das Schiff wahrscheinlich ebensogut kannte wie der Kapitän.
Townsend gelangte zur Ansicht, daß es mit seinem Plan ganz und gar nicht lief. Sollte er Mrs. Sherwood direkt angehen? Kate hatte ihm dringend davon abgeraten. »Wir dürfen sie nicht für naiv halten«, hatte sie ihn gewarnt, als sie sich am Flughafen trennten. »Hab Geduld. Es wird sich bestimmt von selbst eine Gelegenheit ergeben.«
Keith wandte sich müßig nach rechts, als er vernahm, wie Dr. Percival sich bei Claire erkundigte, ob sie Requiem für eine Nonne gelesen habe.
»Nein«, erwiderte sie. »Ist es gut?«
»Ich habe es gelesen«, warf Mrs. Sherwood ein, »und kann nur sagen, daß es bei weitem nicht zu seinen besseren Titeln zählt.«
»Tut mir leid, daß Sie es so empfinden, Mrs. Sherwood«, warf Townsend ein wenig zu schnell ein.
»Wieso das, Mr. Townsend?« Sie konnte ihr Erstaunen nicht verbergen, daß er offenbar wußte, wer der Autor war.
»Weil ich das Privileg habe, Mr. Faulkners Bücher verlegen zu dürfen.«
»Ich hatte keine Ahnung, daß Sie Verleger sind!« rief Dr.
Percival. »Wie aufregend! Ich wette, es gibt eine Menge Leute 468
an Bord, die Ihnen eine gute Story erzählen könnten.«
»Vielleicht sogar ein oder zwei Leute an diesem Tisch«, meinte Townsend und wich Mrs. Sherwoods Blick unauffällig aus.
»Krankenhäuser sind eine nie versiegende Quelle für
Stories«, erwärmte sich Dr. Percival. »Das dürfte ich besser wissen als manch anderer.«
»Allerdings«, bestätigte Townsend, der nun Morgenluft witterte. »Aber eine gute Story allein genügt nicht. Man muß auch imstande sein, sie zu Papier zu bringen. Dazu gehört echte Begabung.«
»Für welchen Verlag arbeiten Sie?« fragte Mrs. Sherwood und gab sich alle Mühe, gleichmütig zu klingen.
Townsend hatte die Angelschnur zum erstenmal ausge-
worfen, und bereits jetzt hatte sie nach der Fliege geschnappt.
»Schumann & Co. in New York«, antwortete er ebenso gleichmütig. »Ich…«
In diesem Moment legte der General los und erzählte Keith, wie viele Bekannte ihn schon bedrängt hätten, seine Memoiren zu schreiben. Dann gab er allen am Tisch eine Kostprobe, wie sein erstes Kapitel möglicherweise aussehen würde.
Es verwunderte Keith nicht, daß Mrs. Sherwood zum Dinner erneut mit Claire den Platz getauscht hatte und nun wieder neben ihm saß. Beim Räucherlachs erklärte er Mrs. Sherwood ausführlich, wie ein Buch auf die Bestsellerliste kam.
»Darf ich Sie mal unterbrechen, Mr. Townsend?« fragte Mrs. Sherwood leise, als der Lammbraten aufgetragen wurde.
»Selbstverständlich, Mrs. Sherwood«, versicherte Keith und wandte sich ihr zu.
»In welcher Abteilung arbeiten Sie bei Schumann?«
»In keiner bestimmten«, antwortete er.
»Ich fürchte, ich verstehe nicht«, sagte Mrs. Sherwood.
»Nun, Sie müssen wissen, daß der Verlag mir gehört.«
»Heißt das, Sie können beispielsweise die Entscheidung 469
eines Redakteurs überstimmen?« fragte Mrs. Sherwood.
»Ich kann die Entscheidung eines jeden Verlagsmitarbeiters überstimmen«, erklärte Townsend.
»Es geht darum…« Sie zögerte und vergewisserte sich, ob jemand am Tisch zuhörte. Townsend wußte, was jetzt kam.
»Nun, ja, ich hatte vor einiger Zeit ein Manuskript an Schumann geschickt. Drei Monate später erhielt ich es zurück. Man hatte es abgelehnt – ohne ein erklärendes Begleitschreiben!«
»Das tut mir leid«, versicherte ihr Townsend und legte eine Pause ein, ehe er die nächsten, gut vorbereiteten Worte an die Frau brachte. »Sie müssen wissen, daß viele der eingesandten Manuskripte gar nicht gelesen werden.«
»Wieso das?« fragte sie ungläubig.
»Nun, jeder größere Verlag bekommt
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