Imperium
die noch der Applebaum Corporation gehörten. Das war jedenfalls die Ansicht der Analysten, die dieses
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Wettrennen um Macht und Medien fasziniert verfolgten.
Vic Applebaum war entschlossen, seine fünfzehn Minuten des Ruhmes zu genießen. Er erklärte jedem, der es wissen wollte, daß er die Absicht habe, sich erst einmal beide Konkurrenten anzuschauen, ehe er eine endgültige Entscheidung traf. Applebaum wählte den Dienstag vor der Jahreshauptversammlung für die Gespräche, nach denen er wissen würde, wer sein Votum bekommen solle.
Die gegnerischen Anwälte trafen sich auf neutralem Boden und vereinbarten, daß Armstrong als erster mit Applebaum verhandeln dürfe. Was ein taktischer Fehler sei, wie Tom Spencer seinem Mandanten versicherte. Townsend erklärte sich mit dieser Reihenfolge einverstanden – bis Armstrong mit den Aktienzertifikaten in der Hand aus der Besprechung kam, was ohne Zweifel bewies, daß er sich nunmehr im Besitz von Applebaums zehn Prozent befand.
»Wie hat er das denn geschafft?« fragte ein fassungsloser Townsend.
Tom hatte keine Antwort darauf, bis er am nächsten Morgen die erste Ausgabe der New York Times in die Hand bekam. Auf der Wirtschaftsseite konnte man lesen, daß Armstrong nicht viel Zeit damit vergeudet hatte, mit Mr. Applebaum über den Star zu reden. Nach einigen Worten der Begrüßung war Dick sofort ins Jiddische verfallen, um sein großes Leid über den Verlust seiner Familie beim Holocaust zu beklagen – ein furchtbarer Schicksalsschlag, der ihm noch immer schwer zu schaffen mache. Deshalb sei es auch der stolzeste Augenblick in seinem Leben gewesen, als der Premierminister des Staates Israel ihn persönlich gebeten hatte, sich in der UdSSR für die Juden einzusetzen, die in ihre neue Heimat auswandern wollten. Das war offenbar der Zeitpunkt gewesen, als
Applebaum in Tränen ausbrach, Armstrong das Aktienpaket überreichte und sich weigerte, überhaupt noch mit Townsend zu reden.
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Selbstbewußt gab Armstrong bekannt, daß er nun im Besitz von einundfünfzig Prozent der Gesellschaftsanteile und deshalb der neue Eigentümer des New York Star sei. Das Wall Street Journal bestätigte diese Aussage und erklärte, die Jahreshauptversammlung des Star sei jetzt eigentlich nichts weiter als eine Krönungszeremonie. Doch das Wirtschaftsfachblatt fügte ein Postskriptum hinzu: Keith Townsend solle nicht allzu
deprimiert sein, daß er die Zeitung an seinen Haupt-
konkurrenten verloren habe; denn aufgrund des gewaltigen Preisanstiegs der Aktien würde er einen Gewinn von mehr als zwanzig Millionen Dollar machen.
Das Feuilleton der New York Times erinnerte seine Leser daran, daß die Summers-Stiftung am kommenden Donnerstag-abend eine Avantgarde-Ausstellung eröffnen würde. Nach den Beteuerungen der rivalisierenden Pressebarone, Lloyd
Summers und die Arbeit der Stiftung zu unterstützen, würde es sich als interessant erweisen, ob sich auch nur einer der beiden Kontrahenten sehen ließe, schrieben die Times-Redakteure nicht ohne Ironie.
Tom Spencer riet Townsend, wenigstens eine halbe Stunde für einen kurzen Besuch abzuzweigen, da Armstrong ganz gewiß dort erscheinen würde – und man könne ja nie wissen, was sich bei solchen Gelegenheiten so alles erfahren ließe.
Townsend bedauerte seinen Entschluß, die Ausstellung zu besuchen, kaum daß er eingetroffen war. Er machte einen Rundgang durch die Galerie, ließ den Blick über die Bilder wandern, die vom Stiftungsverwalter ausgewählt worden waren, und fand, daß sie ohne Ausnahme das waren, was Kate als »prätentiösen Kitsch« bezeichnet hätte. Er beschloß, sich so schnell wie möglich zu verdrücken und hatte auch schon einen unauffälligen Weg zum Ausgang entdeckt, als Summers auf ein Mikrophon tupfte und um Silentium bat. Dann machte der Direktor sich daran, »ein paar Worte zu sagen«. Townsend 581
riskierte noch zwei kurze Blicke: einen auf seine Uhr und einen aufs Podium. Und dort sah er Armstrong, der neben Summers stand, in einem dicken Katalog blätterte und zwischendurch die Anwesenden strahlend anlächelte.
Summers begann, den Gästen voller Bedauern mitzuteilen, daß seine Mutter aufgrund einer bereits länger anhaltenden Krankheit leider nicht zugegen sein könne. Dann ließ er eine lange Rede vom Stapel, in der er jene Künstler würdigte, deren Werke er ausgewählt hatte. Zwanzig endlose Minuten später erklärte Summers, wie erfreut er sei, daß der neue Eigentümer des New York Star
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