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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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und wieder stampften Füße auf den Planken über seinem Kopf. Als der kleine Frachter aus dem Hafen ausgelaufen war und durch immer tieferes Wasser pflügte, wurden aus dem Wiegen und
    Schaukeln ein Schlingern und Stampfen. Lubji zwängte sich zwischen zwei Säcke und hielt sich mit ausgestreckten Armen daran fest, um nicht durch die Luft geschleudert zu werden.
    Mitsamt der Säcke wurde er ständig von einer Seite auf die andere geworfen. Es wurde so schlimm, daß er um Hilfe rufen wollte; doch inzwischen war es dunkel, nur die Sterne leuchteten am Himmel über ihm, und die Seeleute hatten sich allsamt unter Deck zurückgezogen. Lubji bezweifelte, daß sie seine Schreie überhaupt hören würden.
    Er hatte keine Ahnung, wie lange die Reise nach Ägypten dauerte und fragte sich ängstlich, ob er im Laderaum überleben könnte, falls ein Sturm aufkam. So war er zwar glücklich, bei Sonnenaufgang noch am Leben zu sein, mußte jedoch ständig damit rechnen, daß ihn ein plötzliches Ende ereilte.
    Lubji konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, wie viele Tage vergangen waren, als sie endlich in ruhigere Gewässer gelangten, obgleich er sicher war, die meiste Zeit wachgelegen zu haben. Liefen sie in einen Hafen ein? Es war kaum noch eine Bewegung des Schiffes zu spüren, und auch das Dröhnen der Maschinen wurde zunehmend leiser, bis es schließlich ganz erstarb. Kurz darauf hörte Lubji, wie die Ankerkette über Bord rasselte. Obwohl das Schiff nun ruhig lag, führte sein Magen sich immer noch so auf, als befänden sie sich auf hoher See.
    Nach etwa einer Stunde zog ein Matrose die Eisenstange 122
    heraus, die den Lukendeckel gesichert hatte. Augenblicke später vernahm Lubji Stimmen in einer Sprache, die er nie zuvor gehört hatte. Er vermutete, daß es sich um Ägyptisch handelte, und wieder seufzte er erleichtert, daß es nicht Deutsch war. Dann wurde der Lukendeckel abgehoben, und Lubji sah zwei stämmige Burschen, die zu ihm hinunter-starrten.
    »Was haben wir denn da?« rief einer, als Lubji verzweifelt die Hände hob.
    »Einen deutschen Spion, möchte ich wetten!« entgegnete sein Kamerad mit rauhem Lachen. Der erste lehnte sich über die Luke, faßte Lubjis Arme und zog ihn an Deck, als wäre er ein Sack Weizen. Lubji blieb mit ausgestreckten Beinen vor den beiden sitzen, atmete tief die frische Luft ein und wartete schicksalergeben darauf, ergriffen und wieder ins Gefängnis gesperrt zu werden.
    Als sich nichts tat, blickte er auf und blinzelte in die Morgensonne. »Wo bin ich?« fragte er auf tschechisch. Aber die Seeleute verstanden ihn nicht. Er versuchte es auf ungarisch, russisch und schließlich widerstrebend auf deutsch, doch erntete nur Achselzucken und Lachen. Schließlich nahmen ihn die beiden hoch und schleppten ihn fast bis zur Laufplanke, ohne auch nur den geringsten Versuch zu
    unternehmen, sich in irgendeiner Sprache mit ihm zu
    verständigen.
    Lubjis Füße berührten kaum den Boden, als die Matrosen ihn von Bord des Schiffes hinunter zur Anlegestelle und von dort zu einem weißen Gebäude am entgegengesetzten Ende des Kais zerrten. Über der Tür standen Worte in Blockschrift, die dem illegalen Einwanderer rein gar nichts sagten:
    HAFENPOLIZEI – LIVERPOOL, ENGLAND.

    123
    ST. ANDY

12. September 1945
    Die Morgenröte einer neuen Republik

    »SCHLUSS MIT DEN EHRENTITELN!« lautete die
    Schlagzeile der dritten Ausgabe des St. Andy.
    Nach Meinung des Redakteurs waren diese sogenannten
    Ehrungen nichts anderes als ein bequemer Vorwand für nicht mehr ganz taufrische Politiker, sich selbst und ihren Freunden Titel zu verleihen, derer sie nicht würdig waren.
    Ehrentitel werden stets an Personen verliehen, die sie gar nicht verdienen. Diese ärgerliche Zurschaustellung persönlicher Eitelkeiten ist nur eines von vielen Beispielen für die letzten Zuckungen eines Kolonialreichs, dem bei der erstbesten Gelegenheit der Todesstoß versetzt werden sollte. Wir müssen dieses antiquierte politische System endlich in die Mülltonne der Geschichte werfen.
    Mehrere Klassenkameraden schrieben an den verantwort-
    lichen Redakteur und erinnerten ihn daran, daß sein Vater es keineswegs abgelehnt habe, in den Adelsstand erhoben zu werden. Und diejenigen, die mit der Geschichte besser vertraut waren, fügten hinzu, daß der letzte Satz einem Aufruf für eine Sache von wesentlich größerer Bedeutung entnommen war.
    Diesmal konnte Keith die bei der wöchentlichen Lehrer-versammlung geäußerte Meinung des Direktors

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