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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Kracht
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Kaffee einverleiben, sonst aber keinerlei Nahrung zu sich nehmen, und als das Wetter endlich bricht, ist es, als ob ein schweres Fieber den geschundenen Körper verläßt; eine schrägstehende Lichtsäule stößt durch die aschene Wolkenfront, die Welt atmet auf, die See beruhigt sich, und erschöpfte Fregattvögel lassen sich auf dem vom Orkan malträtierten Vorderdeck der Jeddah nieder. Die erzürnte Gischt vereinzelter Brecher sprüht noch die Seiten des Schiffsrumpfes empor, aber gottlob, es ist vorbei. Pandora klettert aus der Kajüte nach oben und setzt sich, ihre nackten Beine an sich ziehend, wort- und grußlos, jedoch im Bewußtsein, eine gewaltige Feuerprobe bestanden zu haben, auf eine festgezurrte Kiste Konservendosen und läßt ihre Haare vom salzigen Fahrtwind durchwehen.
    Ihre Tränen und ihre Angst werden ihr nicht vorgehalten, selbst Herr November, der aus den Niederungen des Frachters emporgestiegen ist und sich mittels eines in die See gehängten Eimers den Ruß von Gesicht und Händen wäscht, ringt sich, als er an ihr vorbeischreitet, ein flüchtiges, lakonisches Lächeln ab; kein Kitt bindet so fest aneinander wie gemeinsam durchstandene Todesgefahr. Und im kurzen Augenblick der Erhellung seines Antlitzes glaubt man den wirklichen November erahnen zu können, einen sensiblen, schönen, düsteren Mann, der versucht, ein lange vergangenes Leid für immer vor sich selbst zu verbergen.
    Slütter untersucht die Ladung, es ist nichts ins Meer geschwemmt worden außer einer kleinen Kiste Bratpfannen. Es ist ihm nicht klar, warum man im Schutzgebiet australische Konservendosen mit Krebsfleisch geordert hat, wo doch die köstlichsten Krebse frisch aus dem Meer zu erhalten sind. Er zuckt mit den Schultern, raucht eine Zigarette und steuert die Jeddah unentwegt nordwestlich. Gegen ein Uhr nachmittags sichtet er ein anderes Schiff, es ist ebenfalls ein Frachter, allerdings auf südlichem Kurs, Darwinwärts, er funkt mit dem Marconi-Apparat um Erkennung, es kommt keine Antwort, und er ruft Pandora, sie möge einige Dosen öffnen und den Inhalt auf einem Stövchen erwärmen. Bald schon zieht der Frachter unsichtbare, verlockend aromatische Duftschwaden hinter sich her.
    Während sie zusammen essen, bietet Apirana an, das Mädchen zu tätowieren, eine Stelle ihrer Haut für immer mit der Geschichte des durchfahrenen Sturms zu überziehen, aber Slütter will nichts davon wissen und untersagt es, er kann es nicht ertragen, daß ihre äußere Hülle, ihre weiße Epidermis von Nadeln durchstochen wird. Der Maori zuckt mit den Achseln, es bedeutet ihm nichts, außer dem Wissen, daß dieser Teil der Chronik des Verlaufs der Welt, die jedem Menschen zustehe, nun nicht auf dem jungen Mädchen nachzulesen sei. Und er geht hinunter in den Kesselraum, um November einen Teller dampfenden Krebsfleisches zu bringen.

Es ist eine sonderbare Liebe, die die beiden verbindet. Pandora hat Slütter bedingungslos zum Herrn über ihr Schicksal auserkoren, und er scheint durch sie eine gewisse Unbeirrbarkeit erlangt zu haben, die er sich selber gar nicht zugetraut hat. Er empfindet sich plötzlich, soweit das möglich ist, als profunderer Mensch, er sieht die See nun nicht mehr als auslöschendes, allreinigendes Element, sondern beginnt, Pandoras Angst vor den Tiefen zu erfassen, er versteht, warum er als einzelner zwar ein Teil von allem, aber in der Gesamtheit nichtiger ist als ein kleines Stückchen Koralle, das über Jahrmillionen, an der äußersten Peripherie oder Welten Wahrnehmung zu ephemerem Sand zerrieben wird. In jenen Momenten ist Slütter dem Tod ein behutsames Stück näher gekommen.
    Und schließlich fährt, beinahe wie ein zum Krüppel geschlagener Hund, der verstohlen unter eine Brücke schleicht, um seine Wunden verheilen zu lassen, die Jeddah in die Blanchebucht ein. Niemand wartet winkend am Quai auf ihr Eintreffen, niemand beeilt sich, den ramponierten Kahn im Hafen von Rabaul willkommen zu heißen. Slütter steht auf der Kommandobrücke und gibt Anweisungen, den Anker und die Vertäuung betreffend, die von Apirana und Herrn November halbherzig befolgt werden, während Pandora, nachdem sie sich vergewissert hat, daß kein englisches Polizeiaufgebot sie erwartet, im hellen Kleid von Bord auf den hölzernen Anleger springt und, an den dümpelnden Barkassen vorbei, schnurstracks barfuß Richtung Gouverneursresidenz läuft, deren weißgetünchte Fassade sie schon bei ihrer Einfahrt in die Bucht ausgespäht hat. Auf

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