Imperium
abgestimmt werden konnte, was bedeutete, dass das Volk unmittelbar vor den Konsulatswahlen sein Urteil fällte.
Cicero war hochzufrieden mit seinem Tagewerk. Sollte nämlich die lex Figula angenommen werden und er die Wahl wegen der Bestechungen verlieren, dann eröffnete ich ihm die Möglichkeit, Klage anzustrengen - und zwar nicht nur gegen Catilina und Hybrida, sondern auch noch gegen seinen Erzfeind Crassus höchstpersönlich. Immerhin war es erst zwei Jahre her, dass zwei designierte Konsuln wegen illegaler Wahlkampfpraktiken ihrer Ämter enthoben worden waren. Für eine solche Klage brauchte Cicero allerlings Beweise, und der Druck, diese aufzutreiben, wurde immer größer. Von morgens bis abends war er auf Stimmenfang, wobei er zwar immer mit einer großen Anhängerschar unterwegs war, aber nie mit einem nomendator, der ihm die Wählernamen einflüstern musste: Anders als seine Gegner war Cicero sehr stolz auf seine Fähigkeit, Tausende von Namen zu wissen. Und falls er, was selten genug vorkam, einmal einen Namen nicht parat hatte, schaffte er es immer, sich durch das Gespräch hindurchzumogeln.
Zu jener Zeit war meine Bewunderung für ihn riesengroß. Er hat sicher gewusst, dass die Aussichten ziemlich schlecht für ihn standen und er wahrscheinlich verlieren würde. Pisos Vorhersage bezüglich Pompeius hatte sich vollauf bestätigt. Der hohe Herr hatte keinen Finger gerührt, um Ciceros Wahlkampf zu unterstützen. Er hatte sich am Ostufer des Schwarzen Meeres eingerichtet, in Amisus - dem am weitesten von Rom entfernten Ort im ganzen Imperium -, und ließ sich dort wie ein orientalischer Potentat von nicht weniger als zwölf regionalen Königen huldigen. Syrien war dem Römischen Reich einverleibt worden, und Mithridates war Hals über Kopf geflohen. Pompeius ' Haus auf dem Esquilin war mit den erbeuteten Rammspornen von fünfzig Piratentriremen dekoriert worden und wird heute domus rostra genannt - ein Schrein für seine Bewunderer aus ganz Italien. Was kümmerten Pompeius lächerliche Zivilistenscharmützel? Ciceros Briefe blieben unbeantwortet. Während Quintus sich über Pompeius ' Undankbarkeit ereiferte, nahm Cicero es fatalistisch: »Wenn du Dankbarkeit willst, dann kauf dir einen Hund.«
Drei Tage vor den Konsulatswahlen, am Vorabend der Abstimmung über das Bestechungsgesetz, gab es endlich einen Durchbruch. Ranunculus stürzte mit der Nachricht in Ciceros Arbeitszimmer, dass er einen Stimmenkäufer namens Gaius Sarinator gefunden habe, der behaupte, er habe noch dreihundert Stimmen für einhundertzwanzig Sesterzen das Stück anzubieten. Er sei der Besitzer einer Weinschenke namens Bacchante in Subura und er, Ranunculus, habe für heute Abend ein Treffen vereinbart, um ihm den Namen des Kandidaten zu nennen, für den die bestochenen Wähler zu stimmen hätten, und um das Geld an einen der sequestres zu übergeben, dem beide vertrauten. Als Cicero das hörte, wurde er ganz aufgeregt und bestand darauf, Ranunculus zu begleiten - inkognito, mit einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze, um seine Identität zu verbergen. Quintus hielt das für zu gefährlich, doch Cicero ließ sich nicht beirren, er brauche unbedingt Beweise aus erster Hand. »Ranunculus und Tiro sind ja zu meinem Schutz dabei«, sagte er zu Quintus, was ich für einen seiner Scherze hielt. »Aber du kannst ja noch ein paar unserer Anhänger als anonyme Zecher hinschicken, nur für den Fall, dass wir doch mehr Hilfe brauchen.«
Um diese Zeit war ich fast vierzig, und nach einem ausschließlich mit Schreibarbeit verbrachten Leben waren meine Hände so weich wie die eines Mädchens. Wenn es wirklich Ärger geben sollte, dann würde der durch seine täglichen Übungen mit einer beeindruckenden Physis ausgestattete Cicero mich beschützen müssen. Nichts desto trotz öffnete ich die Geldtruhe in seinem Arbeitszimmer und zählte die benötigte Summe in Silbermünzen ab. (Er hatte eine von seinen Bewunderern gut gefüllte Wahlkampfkasse, aus der er etwa Ausgaben wie die für die Reise nach Gallia Cisalpina bestritt: Es handelte sich dabei nicht um Bestechungsgelder als solche, obwohl Ciceros Ruf, niemals einen Namen zu vergessen, für die Spender natürlich beruhigend war.) Die Silbermünzen wurden in einem Geldgürtel verstaut, den ich mir um die Hüfte schlingen musste, und bei Einbruch der Dunkelheit ging ich schweren Schrittes - in der doppelten Bedeutung der Wortes - zusammen mit Cicero in die Subura hinunter. Es war ein sehr
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