Imperium
bei den anstehenden Konsulatswahlen bedroht sehe jedem Wählerverein pro Stimme fünfzig Sesterzen zahlen würden.
Ranunculus war ein gnomenhaftes, irgendwie unfertig aussehendes Wesen, auf dessen schwächlichem Körper ein Kopf mit einem platten, runden Gesicht saß. Den Spitznamen »Kaulquappe« trug er zu Recht. Filum sah aus wie eine Riesenspindel, wie ein mit Leben erfüllter Holzstock.
Schon die Väter und Großväter der beiden waren Stimmenkäufer gewesen. Sie kannten das Spiel. Sie verschwanden in den Seitenstraßen und Weinschenken und konnten Cicero eine Woche später berichten, dass etwas sehr Seltsames im Gang war. Keiner der bekannten Stimmenkäufer war zur Zusammenarbeit bereit. »Was heißt«, wie es Ranunculus mit seiner piepsigen Stimme ausdrückte, »dass Rom zum ersten Mal seit dreihundert Jahren nur von ehrbaren Männern bevölkert ist oder dass alle Stimmen, die zu kaufen waren, schon aufgekauft worden sind.«
»Es muss doch einen geben, der umfällt«, sagte Cicero. Wir erhöhen den Preis! Macht euch wieder auf die Beine, bietet diesmal hundert.«
Also zogen sie erneut los, kamen aber nach einer weiteren Woche mit dem gleichen Ergebnis wieder zurück. Die anscheinend schon an die Stimmenkäufer ausbezahlte Summe musste so groß gewesen sein, dass sich keiner den geheimnisvollen Klienten zum Feind machen wollte. Es war keine einzige Stimme mehr auf dem Markt, und es lief nicht einmal die Andeutung eines Gerüchts um, wer dieser Klient sein könnte. Nun stellt sich die Frage, wie eine derart umfassende Operation, bei der es um Tausende von Stimmen ging, abgewickelt werden konnte, ohne dass auch nur das Geringste durchsickerte. Die Antwort lautet, dass alles sehr gut organisiert war, dass vielleicht nur ein Dutzend Vermittler - Interpreter, wie sie genannt wurden - eingeschaltet waren, die die Identität des Käufers kannten (ich muss gesehen, dass in der Vergangenheit auch Ranunculus und Fiulum als interpretes tätig gewesen waren). Diese Leute kontaktierten die Funktionäre des Wählervereins und handelten den Preis aus - die und die Summe für, sagen wir, fünfzig oder fünfhundert Stimmen, je nachdem wie groß der Verein war. Weil natürlich keiner in diesem Spiel dem anderen aber den Weg traute, wurde das Geld danach an den Sequester übergeben, eine weitere Mittelsperson, die das Bargeld zur Überprüfung durch die Stimmenkäufer aufbewahrte. Und schließlich gab es für die Auszahlung nach der Wahl eine dritte Spezies Dunkelmänner, die sogenannten divisores, die das Geld verteilten. Deshalb war die erfolgreiche Bekämpfung dieser Art von Korruption äußerst schwierig, denn selbst wenn man einen Mann bei der Übergabe von Bestechungsgeldern festnehmen konnte, war es gut möglich, dass der keine Ahnung hatte, wer der eigentliche Auftraggeber für den Stimmenkauf war. Und dennoch wollte Cicero einfach nicht hinnehmen, dass niemand das Schweigen brach. »Wir haben es hier nicht mit einem altehrwürdigen römischen Ritterorden zu tun«, brüllte er in einem seiner seltenen Wutanfälle. »Das sind Stimmenkäufer. Irgendwo sitzt einer, der sogar einen so gefährlichen Zahlmeister wie Crassus betrügt, wenn das Geld stimmt. Also los, findet den Kerl, und findet raus, wie hoch sein Preis ist - oder muss ich etwa alles selbst machen?«
Um diese Zeit - das muss in der zweiten Junihälfte gewesen sein, etwa einen Monat vor dem Wahltermin - wusste die ganze Stadt, dass etwas Seltsames vor sich ging. Es bahnte sich eine der denkwürdigsten und am härtesten umkämpften Wahlen der jüngeren Geschichte an, mit nicht weniger als sieben Kandidaten für das Konsulat, was hieß, dass sich in jenem Jahr viele Männer gute Chancen ausrechneten. Die Spitzenkandidaten, so die allgemeine Erwartung, würden Catilina, Hybrida und Cicero sein. Dahinter sah man den arroganten und schroffen Galba und den tiefreligiösen Cornificius. Für chancenlos hielt man den korpulenten Exprätor Cassius Longinius sowie Gaius Licinius Sacerdos, der noch vor Verres Statthalter von Sizilien gewesen und mindestens zehn Jahre älter als seine Rivalen war. (Sacerdos war einer jener irritierenden Kandidaten, die »keine persönlichen Ziele verfolgten«, wie sie gern sagten, sondern denen es ausschließlich um »Sachfragen« ging. Über solche Leute pflegte Cicero zu sagen: »Vor Männern, die behaupten, dass sie ein Amt nicht für sich selbst anstreben, muss man sich immer in Acht nehmen. Das sind die eitelsten von allen.«) Einige
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