Imperium
wissen.
»Von der Strafe, die Verres ' nach seiner Verurteilung zahlen muss«, sagte Cicero.
»Und du bist sicher, dass er verurteilt wird?«
»Ganz sicher.«
»Wieso? Was hast du in der Hand? Lass hören.« Sie setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibpult und verschränkte die Arme. Cicero zögerte kurz. Da er seine Frau kannte und wusste, dass sie nicht so einfach ihre Meinung änderte, befahl er mir, die Beweise der Sizilier aus dem Tresor zu holen. Er ging mit ihr alles durch, Stück für Stück. Als sie fertig waren, schaute sie ihn aufrichtig bestürzt an. »Das reicht nie und nimmer, Marcus! Das da ist alles, worauf du setzt? Glaubst du im Ernst, senatorische Geschworene werden einen der ihren schuldig sprechen, nur weil er ein paar bedeutende Statuen aus irgendwelchen obskuren Provinznestern zurück nach Rom geschafft hat - wo sie ja wohl auch hingehören?«
»Gut möglich, dass du recht hast, mein Schatz«, gab Cicero zu. »Gerade deshalb muss ich ja nach Sizilien.«
Terentia betrachtete ihren Ehemann - der im Rom jener Tage unstrittig der größte Redner und klügste Senator war - mit einem Gesichtsausdruck, den eine ehrbare Dame ihrem Kind zeigt, wenn es auf dem Boden im Tablinum eine Pfütze gemacht hat. Ich bin sicher, dass sie etwas hinzugefugt hätte, wenn ihr nicht gerade noch rechtzeitig aufgefallen wäre, dass ich auch anwesend war. Wortlos erhob sie sich und verließ das Arbeitszimmer.
Am nächsten Tag übergab mir Philotimus eine kleine Geldschatulle mit zehntausend Sesterzen in bar und eine Vollmacht, bei Bedarf weitere vierzigtausend abzuheben.
»Genau die Hälfte von dem, was ich wollte«, sagte Cicero, als ich ihm die Schatulle brachte. »So, Tiro, taxiert also eine gewiefte Geschäftsfrau meine Chancen - nun ja, wer könnte es ihr verübeln?«
KAPITEL VII
Wir verließen Rom in den Iden des Januars, am letzten Tag des Festes der Nymphen. Cicero saß in einem überdachten Wagen, sodass er während der Fahrt arbeiten konnte. Ich selbst empfand bei dem Rattern, Quietschen und Schwanken der carruca schon den Versuch zu lesen, geschweige denn zu schreiben, als Qual. Die Reise war erbärmlich. Es war eiskalt, und in höheren Lagen gerieten wir sogar hin und wieder in kurze Schneeschauer. Die meisten Kreuze mit den hingerichteten Rebellensklaven an der Via Appia waren inzwischen entfernt worden. Manche hatte man jedoch zur Abschreckung stehen lassen. Die verwesten, stocksteifen Überreste der Leichen zeichneten sich gegen die weiße Landschaft ab. Bei ihrem Anblick stellte ich mir vor, wie Crassus ' langer Arm von Rom aus nach mir griff und mir wieder in die Backe kniff.
Wegen der überhasteten Abreise war es uns unmöglich gewesen, schon im Voraus für jeden Abend eine Unterkunft zu besorgen, sodass wir an drei oder vier Tagen am Straßenrand übernachten mussten, weil wir keinen Gasthof fanden. Ich legte mich zusammen mit den anderen Sklaven rund ums Lagerfeuer, während Cicero, Lucius und der junge Frugi im Wagen schliefen. Wenn uns dieses Missgeschick in den Bergen traf, dann wachte ich im Morgengrauen mit steif gefrorener Kleidung auf. Als wir schließlich in Velia die Küste erreichten, entschied Cicero, dass wir schneller vorankämen, wenn wir ein Boot mieteten und an der Küste entlangsegelten - trotz des Risikos von Winterstürmen und Piraten und seiner ausgeprägten Abneigung gegen Seereisen, seit ihm eine Sibylle prophezeit hatte, dass sein Tod irgendwie in Zusammenhang mit dem Meer stehen würde.
Velia war ein Kurort mit einem bekannten Tempel zu Ehren von Apollo Oulius, einem damals sehr verehrten Gott der Heilkunst. Es war keine Saison, der gesamte Ort schien ausgestorben zu sein. Während wir hinunter zum Hafen führen, wo die Wellen der grauen See gegen die Kaimauer klatschten, bemerkte Cicero, dass er selten einen weniger verlockenden Urlaubsort als diesen besucht habe. Abgesehen von den üblichen Fischerbooten lag eine riesige Galeere im Hafen, ein Lastschiff von der Größe einer Trireme. Während wir mit den einheimischen Fischern über den Preis für unsere Reise verhandelten, fragte Cicero, wem das Schiff gehöre. Es sei, sagte man uns, ein Geschenk der Bürger der sizilischen Hafenstadt Messana an ihren früheren Statthalter Gaius Verres und läge hier seit etwa einem Monat vor Anker.
Die Aura der Bedrohung, die das große, tief im Wasser liegende Schiff umgab, war mit Händen zu greifen. Es war voll bemannt und konnte jederzeit in See stechen. Unser
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