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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Bezirke hatten bis jetzt abgestimmt, achtzehn für Cicero, fünf mussten noch an die Urnen. Unwichtig, er hatte es geschafft. Verres war nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatte er sich schon still und leise davongeschlichen und zählte jetzt irgendwo seine Verluste zusammen. Caesar, dessen Sprung in den Senat gerade verkündet worden war, schüttelte Cicero als Erster die Hand. Ich sah, wie Quintus triumphierend die Fäuste in die Luft reckte, während Crassus wütend ins Leere starrte. Ich sah jubelnde Zuschauer, die ihre eigenen Strichlisten geführt hatten und sich über das Ergebnis augenscheinlich freuten. Sie gehörten zu jener fanatischen Spezies, die den Verlauf von Wahlen so leidenschaftlich verfolgten wie andere die Wagenrennen. Der Sieger selbst war wie betäubt von dem Erfolg, den ihm nun keiner mehr streitig machen konnte. Nicht mal Crassus, der in Kürze das Ergebnis verkünden musste, auch wenn er sich lieber die Zunge abgebissen hätte. Gegen alle Widerstände hatte es Marcus Cicero zum Ädil von Rom gebracht.
     

     
    Eine große Menschenmenge - nach einem Sieg ist sie imner größer - begleitete Cicero den ganzen Weg vom Marsfeild bis vor seine Haustür, wo die Haussklaven Aufstellung genommen hatten und ihn mit Applaus über die Schwelle gleiteten. Selbst Diodotus, der blinde Philosoph, gab ein eltenes Gastspiel. Wir waren stolz darauf, einer solch bedeutenden Person zu gehören; sein Ruhm strahlte auf jedes Mitglied seines Haushalts ab; unser Wert und unsere Selbstachtung wuchsen mit seiner Stellung. Mit einem kreischenden »Papa!« schoss Tullia aus dem Atrium auf ihn zu und schlang ihre Arme um seine Beine; sogar Terentia ging ihm lächelnd entgegen und umarmte ihn. Das Bild der drei wird mir für immer im Gedächtnis bleiben - der brillante junge Redner, mit der Linken den Kopf seiner Tochter streichelnd, mit der Rechten die Schulter seiner glücklichen Frau umfassend. Wenigstens dieses Geschenk hält die Natur für diejenigen bereit, die nur selten lächeln: Wenn sie es doch einmal tun, dann verändert sich ihr Gesichtsausdruck völlig. Trotz allen Klagen, die Terentia über ihren Mann führte, genoss sie in diesem Augenblick seinen Erfolg und sonnte sich in seinem Glanz.
    Zögernd löste sich Cicero aus ihrer Umarmung. »Ich danke euch allen«, verkündete er und blickte reihum in die Gesichter, die ihn voller Bewunderung anschauten. »Aber noch ist die Zeit zum Feiern nicht gekommen. Dazu haben wir erst Grund, wenn Verres besiegt ist. Nach langem Warten werde ich morgen auf dem Forum die Anklage erheben. Mögen die Götter uns beistehen, damit dieses Haus sich schon bald an frischem und noch größerem Lorbeer erfreuen kann. Worauf wartet ihr noch?« Er lächelte und klatschte in die Hände. »An die Arbeit!«
    Cicero machte sich mit Quintus auf den Weg ins Arbeitszimmer und bedeutete mir mit dem Zeigefinger, auch mitzukommen. Mit einem Stoßseufzer der Erleichterung ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und schleuderte die Schuhe in die Ecke. Zum ersten Mal seit einer Woche schien etwas von der Anspannung von ihm abzufallen. Ich nahm an, dass er sich nun sofort der dringlichen Aufgabe widmen wollte, seiner Rede den letzten Schliff zu geben. Doch er hatte eine andere Aufgabe für mich. Ich sollte mit Sositheus und Laurea zurück in die Stadt gehen. Wir sollten uns aufteilen und allen unseren sizilischen Zeugen von seiner Wahl berichten, kontrollieren, ob auch jeder bei seiner Aussage blieb, und für morgen früh alle ins Gericht bestellen.
    »Alle?«, fragte ich verwundert. »Alle hundert?«
    »Genau«, antwortete er. Seine Stimme hatte wieder die alte Entschlossenheit. »Und sag Eros, er soll ein Dutzend Träger anheuern, zuverlässige Männer, die sämtliche Kisten mit unseren Beweismitteln zum Gericht tragen - und zwar morgen früh, zur gleichen Zeit, wenn auch ich gehe.«
    »Alle Zeugen … ein Dutzend Träger … sämtliche Kisten …« Ich notierte mir alles. »Dafür brauche ich mindestens bis Mitternacht.« Ich war außerstande, meine Verwirrung zu verbergen.
    »Armer Tiro, mach dir keine Sorgen. Schlafen können wir, wenn wir tot sind.«
    »Ich mache mir keine Sorgen um meinen Schlaf, Senator«, sagte ich steif. »Ich frage mich nur, wann ich dann noch die Zeit finde, Euch bei Eurer Rede zu helfen.«
    »Das wird nicht mehr nötig sein«, sagte er mit einem feinen Lächeln und legte einen Finger auf die Lippen, um mir zu sagen, dass das niemand wissen dürfe. Da ich nicht die

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