Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
zweitausend Menschen gestorben sind. Wo man nur hinsah auf den Straßen, erblickte man Leichenzüge oder, was noch melancholischer aussieht, Leichenwagen, denen niemand folgte« (Heine 1832). Der während der Hamburger Choleraepidemie 1892 von der Regierung in Berlin entsandte Robert Koch war geschockt von den katastrophalen Hygienezuständen in der Hansestadt und tat den überlieferten Ausspruch: »Meine Herren, ich vergesse, dass ich in Europa bin.« Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Cholera durch den Ausbau der Trink- und Abwasserinfrastruktur in den Städten gestoppt.
Die heutigen Hotspots von Choleraausbrüchen sind die dichtbesiedelten Slums der Megacitys und die Flüchtlingscamps in Kriegs- und Katastrophengebieten. Opfer der Cholera sind vor allem geschwächte und unterernährte Menschen. Am häufigsten erkranken Kinder. Die Krankheit ist ein Indikator für humanitäre Katastrophen.
Ausgangspunkt der sieben Cholerapandemien, die seit dem 19. Jahrhundert beobachtet wurden, war jedes Mal das Gangesdelta. Auch die letzte große Pandemie durch den Erregertyp 01 »El Tor« begann 1961 in Indien und zog durch Südostasien und Afrika, bis sie 1991 Süd- und Mittelamerika erreichte. Hier kam es mit 400000 Erkrankungen und 12000 Todesfällen zum vorerst letzten großen Ausbruch.
Cholera wurde in den letzten Jahren aus 52 Ländern der Erde gemeldet. Die Weltgesundheitsorganisation beklagt die immer weiter ansteigenden Erkrankungszahlen. Sie schätzt die Zahl der Cholerafälle auf drei bis fünf Millionen, die Zahl der tödlichen Verläufe auf 100000 bis 120000 pro Jahr ( WHO 2011).
90 Prozent der Meldungen kommen aus Afrika. Länder wie Äthiopien, Somalia, der Sudan, Nigeria, Angola, Simbabwe und die DR Kongo stehen ganz oben auf der »Hitliste«. Betroffen sind auch immer wieder die grenznahen Regionen von Nachbarländern wie Kenia, Tansania oder Südafrika. Auch der Irak und Haiti machten in den letzten Jahren durch Choleraausbrüche von sich reden.
In Indien und Bangladesch hat sich seit 1992 der aggressive Stamm O139 »Bengal« etabliert und beginnt sich von dort langsam über Süd- und Südostasien auszubreiten. In Asien und Afrika wurden auch weitere neue Stämme entdeckt.
Für Reisende ist das Erkrankungsrisiko extrem gering, es wird auf zwei bis drei Fälle pro eine Million geschätzt (Steffen 2003). Ein relevantes Risiko haben dagegen Hilfskräfte in Endemiegebieten oder Flüchtlingslagern und Langzeitreisende in Gebieten mit Choleraausbrüchen. Bei ihnen liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei bis zu 1:200 ( RKI 2010).
Nur ganz vereinzelt wird Cholera nach Deutschland eingeschleppt. Zwischen 2001 und 2010 wurden elf Cholerafälle gemeldet. Die Reiseländer der Erkrankten waren Thailand, Indien und Pakistan. Das einzige Todesopfer war 2010 ein Einjähriger, der sich in Pakistan angesteckt hatte. In Österreich und der Schweiz wird seltener als einmal jährlich ein Cholerafall registriert.
Die Cholera wird durch das Bakterium Vibrio cholerae bzw. durch dessen Giftstoffe (Choleratoxin) verursacht. Von dem Erreger gibt es verschiedene Gruppen (zum Beispiel »El Tor« oder »Bengal«) mit unterschiedlichen immunologischen Eigenschaften. Sie sind nur für den Menschen gefährlich und werden mit dem Stuhl ausgeschieden.
Da die Erreger mehr als zehn Tage außerhalb des Körpers überleben, kann die Cholera über verunreinigtes Trinkwasser oder damit in Berührung gekommene Nahrungsmittel übertragen werden. Zur Vorbeugung ist daher bei Reisen in Südamerika, Südasien und im tropischen Afrika die bereits erwähnte gewissenhafte Einhaltung der Nahrungsmittelhygiene notwendig: Vermeiden muss man vor allem das Trinken von nicht abgekochtem Wasser, den Genuss von Eiswürfeln und das Essen von rohen Meeresfrüchten und anderen ungekochten Speisen: »Koch es, schäl es oder lass es stehen.« Eine Ansteckungsmöglichkeit besteht auch durch das Schlucken von Wasser beim Baden in Süßwasser oder Lagunen. Während der Regenzeit ist die Choleragefahr am größten.
In etwa 95 Prozent der Fälle kommt es nach der Aufnahme von Cholerabakterien zu einer Infektion ohne Krankheitserscheinungen oder mit nur leichtem Durchfall, aber Keimausscheidung mit dem Stuhl für ein bis zwei Wochen.
Bei 5 Prozent der Infizierten treten innerhalb weniger Stunden bis Tage heftige wässrige Durchfälle und oft auch Erbrechen auf, was in kürzester Zeit zu bedrohlichem Flüssigkeits- und Salzverlust mit der Gefahr von
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