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Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Titel: Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hirte
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Impfärzten abhängig. In vielen Ländern gibt es hierzu ein passives Erfassungssystem für Impfkomplikationen, bei dem Ärzte aufgefordert sind, unerwünschte Impffolgen an eine zentrale Stelle zu melden. In den USA heißt dieses Meldesystem VAERS (Vaccine Adverse Event Reporting System). Die Daten werden nach der Extraktion aus sogenannten »Rohdaten« veröffentlicht und können im Internet unter www.vaers.org von jedermann abgerufen werden. Man schätzt, dass etwa 10 bis 15 Prozent der tatsächlichen Nebenwirkungen an VAERS gemeldet werden (Meyer 1999). Dies sind dennoch jedes Jahr 12000 bis 14000 Impfreaktionen. Etwa 20 Prozent davon werden als ernst eingestuft– das bedeutet schwere oder lebensbedrohliche Erkrankungen, Krankenhausaufnahmen, bleibende Behinderungen und auch Todesfälle ( CDC 2003). Die Kosten von Impfnebenwirkungen durch Arzt- und Krankenhausbesuche, Arbeitsausfall und Entschädigung sind beträchtlich und in Kosten-Nutzen-Analysen bisher nicht berücksichtigt (Lieu 2000).
    Auch in Deutschland begnügt man sich mit einem passiven Spontanerfassungssystem, das seit 2001 auf einer Meldepflicht für Angehörige von Heilberufen, also Ärzte und Heilpraktiker beruht. Bei der bekannt schlechten Meldemoral der deutschen Ärzte ist es jedoch ein äußerst bescheidenes Instrument: Die Erfassungsquote für unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen liegt vermutlich nur bei 5 bis 10 Prozent (Lasek 1991, Göttler 1999). In den ersten zehn Jahren seine Bestehens wurden im deutschen Meldesystem knappe 20000 Nebenwirkungen nach Impfungen gemeldet, also etwa 2000 pro Jahr. Auf die Bevölkerungsgröße bezogen, werden in den USA fast doppelt so viele Impfkomplikationen gemeldet wie in Deutschland.
    Ein Grund für die schlechte »Meldemoral« dürfte sein, dass Ärzte mit einer Meldung einräumen, sie haben dem Impfling möglicherweise geschadet. Sie fürchten vielleicht, sie könnten das Vertrauen in die ärztliche Kunst im Allgemeinen und in die Impfprogramme im Besonderen untergraben. Auch erfordert die Meldung Arbeit: das Blättern im Impfausweis, die Durchsicht der Krankenakte, das Ausfüllen und Versenden von Formularen.
    In vielen Fällen wird vom behandelnden Arzt auch kein Zusammenhang zwischen Impfung und möglicher Nebenwirkung hergestellt. Es muss ja erst einmal überhaupt daran gedacht werden, dass eine Krankheit Impffolge sein könnte, und das geschieht umso seltener, je mehr Zeit seit der Impfung verstrichen ist.
    Die große Diskrepanz zwischen passiver Meldung und aktiver Überwachung zeigte sich beispielsweise nach Einführung eines neuen Grippeimpfstoffs in der Schweiz: Auf direkte Nachfrage bei Impfärzten ergaben sich 23-mal mehr Gesichtsnervenlähmungen, als vorher »passiv« gemeldet worden waren (Mutsch 2004). Der britische Forscher T. Forsey zog aus diesem Missverhältnis die logische Schlussfolgerung, dass die Nebenwirkungsrate von Impfungen »von der Intensität abhängt, mit der versucht wird, solche Fälle zu finden« (Forsey 1994).
    Bisweilen weigern sich Impfärzte oder Krankenhausärzte trotz des Drängens Betroffener sogar, Verdachtsfälle von Impfnebenwirkungen zu melden. Die Strategie ist eindeutig: Durch die nicht erfolgte Meldung und Anerkennung von Impfnebenwirkungen sollen den Impfskeptikern und -gegnern die Argumente bereits an der Quelle entzogen werden. Da im Infektionsschutzgesetz Paragraph 73 das Unterlassen einer Meldung mit einer Strafe von bis zu 25000 Euro belegt ist, sind Betroffene in solchen Fällen nicht völlig wehrlos.
    In Österreich müssen unerwünschte Impfnebenwirkungen vom Arzt an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen ( BASG ) gemeldet werden. Die entsprechenden Meldebögen sind beim Bundesamt für Sicherheit und Gesundheitswesen erhältlich bzw. können im Internet unter www.basg.at heruntergeladen werden.
    Auch in der Schweiz sind außergewöhnliche Impfreaktionen meldepflichtig. Die Meldung erfolgt durch den Impfarzt an den Kantonsarzt und von diesem an das BAG (Bundesamt für Gesundheit). Beim Netzwerk Impfentscheid ( www.impfentscheid.ch ) können Betroffene das »Formular Beobachtungen und Reaktionen nach Impfungen« herunterladen, es ausfüllen und dem Arzt zur Weiterleitung vorlegen. In der Schweiz wurde bisher allerdings kein Fall von Impfschaden offiziell anerkannt.
    Alles in allem sind Spontanerfassungssysteme nicht in der Lage, Häufigkeiten von Impfreaktionen zu berechnen oder den Zusammenhang zwischen Impfung und möglichen

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