Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Einführung der Impfung im Säuglingsalter hatte mehr taktische als gesundheitliche Gründe: Jugendliche sind für vorbeugende Maßnahmen schlechter erreichbar als Säuglinge, die meist regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen gebracht werden. Daraus ergibt sich jedoch das ethische Problem, dass eine Bevölkerungsgruppe der Gefahr von Impfnebenwirkungen ausgesetzt wird, die von der Krankheit nicht unmittelbar bedroht ist.
Um Eltern von der Impfempfehlung zu überzeugen, wurde die Behauptung aufgestellt, ein Großteil der Neuerkrankten sei keiner der Risikogruppen zuzuordnen und im Grunde sei jeder potenziell gefährdet. Dies war jedoch reine Impfpropaganda. Bei einer Nachbefragung in Schweden konnten nahezu alle Neuinfizierten einer Risikogruppe zugeordnet werden (Struve 1996). In Deutschland zeigte die alleinige Impfung von Risikogruppen innerhalb von zehn Jahren schon deutliche Erfolge.
Mit Vehemenz stürzten sich Behörden und Hersteller in die Vermarktung der Hepatitis-B-Impfstoffe im Kindesalter. Die Presse brachte Meldungen wie »Hepatitis tödlicher als Aids« (
AZ
1996). An bayrischen Schulen finanzierte 1999 der damalige Impfstoffhersteller SmithKline Beecham in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium die Aktion »Take Care« – eine verkaufsfördernde Maßnahme für den Hepatitis-B-Impfstoff. Der Gang zum Arzt wurde dadurch belohnt, dass Schulen mit der höchsten »Durchimpfung« an einer Verlosung für Popkonzerte teilnehmen durften. Im Zeitalter von Aids wurde den Schülern trügerische Sicherheit vorgegaukelt: »Dann kann euch nichts mehr passieren.«
Die Impfpropaganda war sehr erfolgreich: Im Jahr 2003 waren 67 Prozent der deutschen Erstklässler komplett gegen Hepatitis B geimpft, 2009 bereits 90 Prozent (
EB
2004,
EB
2011).
In Österreich ist ebenso wie in Deutschland die Grundimmunisierung im ersten Lebensjahr empfohlen, mit einer Auffrischungsimpfung im siebten bis dreizehnten Lebensjahr. In der Schweiz sollen sich »prioritär« Jugendliche im Alter von elf bis 15Jahren impfen lassen. Die Impfung kann aber laut BAG »in jedem Alter verabreicht werden«. Alle drei Länder empfehlen außerdem die Impfung von Risikogruppen. Dazu gehören:
in medizinischen Berufen tätige Personen,
Personen, die beruflich Kontakt mit möglicherweise infektiösen Blutprodukten haben (Reinigungspersonal, Sanitäter, Polizisten, Pharmaangestellte),
Personal von Einrichtungen für geistig Behinderte,
mögliche Hepatitis-B-Überträger (Prostituierte, Homosexuelle, Drogenabhängige, HIV -Patienten),
Patienten mit chronischer Lebererkrankung,
Patienten mit häufigem Bedarf an Plasmaprodukten (zum Beispiel Hämophile) und Dialysepatienten.
Die Wirksamkeit der Hepatitis-B-Impfung
An der Wirksamkeit der Impfung ist nicht zu zweifeln. Eine chronische Hepatitis-B-Erkrankung ist unwahrscheinlich, wenn Impfantikörper in ausreichender Höhe nachzuweisen sind – auch wenn die schwer zu messende zelluläre Immunität den entscheidenderen Anteil an der Immunität hat (Batnavala 2003, WHO 2009).
Mehr als 5 Prozent der Geimpften sprechen auf die erste Impfserie nicht an. Patienten mit Immunschwächekrankheiten, über vierzigjährige Erwachsene und Personen mit einem besonders hohen Infektionsrisiko, zum Beispiel Beschäftigte im Gesundheitsbereich, sollten nach der Grundimmunisierung ihre Impfantikörper untersuchen lassen. Bei einem Anti- HB s unter 10 IE /l sind weitere Auffrischungsimpfungen und Kontrolluntersuchungen notwendig.
Ein Anti- HB s von über 10 IE /l zeigt einen wahrscheinlichen Langzeitschutz an. Wurde dieser Wert einmal gemessen, dann sind erneute Blutuntersuchungen oder Auffrischungsimpfungen überflüssig, da die Gedächtniszellen auch bei Bedarf sehr schnell wieder große Mengen Antikörper bilden können ( ECG 2000). Nur Patienten mit chronischer Lebererkrankung oder Dialysebehandlung können einen einmal vorhandenen Impfschutz wieder verlieren. Daher sind bei ihnen Titerkontrollen wichtig ( ECG 2000).
Bei Kindern ist die Rate an Impfversagern mit 1,5 bis 4 Prozent niedriger als bei Erwachsenen ( CDC 1994). Blutentnahmen zur Antikörperuntersuchung sind bei ihnen nicht empfohlen. Solche Eingriffe würden wohl auch die Impfmotivation untergraben. Die Dauer des Impfschutzes bei Kindern ist allerdings unsicher. Die sehr optimistische Weltgesundheitsorganisation geht von einem langfristigen Schutz aus und empfiehlt keine routinemäßigen Auffrischungsimpfungen ( WHO 2009).
Langzeitstudien aus Ländern
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