Implantiert
Analyse der DNS des entsprechenden Tiers. Die millionenfachen Kopien lieferten ein extrem hohes Maß an Genauigkeit.
Die hierbei gewonnenen Daten wurden an den Supercomputer
weitergeleitet, den alle die »Gottesmaschine« nannten. Danach würden sie von Jians Programmen weiter bearbeitet werden. Sie schloss den Deckel der PCR-Maschine und schaltete auf automatischen Betrieb.
In ein paar Stunden würden die vier neuen DNS-Sequenzen zu den vielen tausend anderen hinzukommen, die sie bereits analysiert hatten. Sie rief die aktuelle Genom-Datenbank auf.
GENOM A17 SEQUENZIERUNG: LÄUFT KONTROLLALGORITHMUS: LÄUFT VORAUSSICHTLICHE LEBENSFÄHIGKEIT: 65,0567 %
Immer wieder bearbeitete die mächtige Gottesmaschine Milliarden von DNS-Kombinationen auf der Suche nach der magischen Abfolge, aus der ein lebensfähiger Embryo entstehen konnte. Inzwischen standen sie kurz vor einem Durchbruch. Noch ein paar Proben, noch ein paar Säugetierarten, dann hätten sie es, vielleicht, geschafft.
Darüber hinaus gab es noch immer ihr geheimes Experiment, von dem sie Rhumkorrf nie etwas erzählt hatte. Colding hatte darauf bestanden, dass alle Hinweise auf die Versuche mit menschlichen Leihmüttern vernichtet wurden. Jian hatte sich einen kleinen Rest davon bewahrt. Einen besonderen kleinen Rest. Sie besaß das Genom eines Säugetiervorfahren mit einer Lebenswahrscheinlichkeit von 99,65 Prozent – ein Genom, das die Immunreaktion mit Sicherheit überwinden würde.
Nicht die Immunreaktion einer Kuh … sondern ihre eigene Immunreaktion.
Während der Versuche mit menschlichen Leihmüttern war das ihr kleines Geheimnis gewesen. Sie hatte ihre eigene
DNS als grundlegendes Arbeitsmuster benutzt. Dass Colding darauf bestand, die Arbeit mit menschlichen Leihmüttern einzustellen, hatte das Unternehmen gerettet, doch genau darin lag auch eine gewisse Ironie, denn wenn ihnen dieser Weg erlaubt gewesen wäre, hätten sie schon beim ersten Versuch Erfolg gehabt. Jian hatte ihre eigenen modifizierten Eizellen aufbewahrt und in einem hüfthohen Tank voll Flüssigstickstoff versteckt, der darüber hinaus die letzten sechzehn von der Gottesmaschine bearbeiteten Genome enthielt. Schließlich waren es ihre Eizellen, und sie konnte es einfach nicht ertragen, sich von ihnen zu trennen.
Vielleicht würde sie sie ja benutzen, wenn die Experimente mit den Kühen endgültig fehlschlugen. Das Leben von Millionen Menschen stand auf dem Spiel. Möglicherweise würde Rhumkorrf ihr sogar helfen. Er war so verzweifelt darum bemüht, dass diese Sache gelang – und dass sich Jian nicht mehr so dumm, nicht mehr so sehr als Versagerin fühlte.
So viele Menschen. Menschen, die jeden Tag starben, die wegen ihrer Inkompetenz starben.
Sie musste sich entspannen. Vielleicht hatte Tim Recht … vielleicht ein kleines Videospiel. Nur ein paar Minuten. Niemand würde mitbekommen, wenn sie zu arbeiten aufhörte. Leise drehte sich Jian zu ihrem linken unteren Monitor und rief das Schachprogramm auf. Es war so unverantwortlich, jetzt zu spielen! Aber sie war völlig fertig. Also los, Kasparov-Niveau, gib dein Bestes.
Auf Kasparov-Niveau gewann sie immer. Doch wenigstens war das Computerprogramm so gut, dass sie wirklich über ihre Züge nachdenken musste, was mehr war, als man von den Spielen mit allen anderen Mitarbeitern des Projekts behaupten konnte. Der arme P. J., er gab sich immer solche
Mühe zu gewinnen, doch er konnte nur fünf oder sechs Züge vorausdenken. Jian sah den Ablauf ganzer Spiele vor sich, bevor der erste Bauer überhaupt zum Zug kam.
Sie starrte die schwarzen und weißen Figuren an, die in ordentlichen Reihen auf dem Brett standen. Der Computer wartete darauf, dass sie ihren ersten Zug machte, doch aus irgendeinem Grund konnte sie nur die Figuren anstarren. Die schwarzen Figuren. Die weißen Figuren. Schwarz und weiß.
Schwarz und weiß.
Schwarz und weiß.
Die Figuren hätten genauso gut jede andere Farbe haben können, das Spiel wäre trotzdem dasselbe geblieben. Blau und rot, gelb und purpurfarben – das wäre überhaupt kein Unterschied gewesen, denn die Funktion des Bretts wäre dieselbe geblieben.
Das Brett, das sich unter den schwarzen und weißen Spielfiguren befand. Schwarz und weiß …
… wie das Fell der Kühe.
»Das ist es«, flüsterte sie. »Das ist es!«
Sie schaltete das Schachprogramm ab und rief das Rindergenom auf. Ihre Finger rasten so schnell über die Tastatur, dass die Bewegungen zu verschwimmen schienen. Es war so
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