Implantiert
zurück, bis sie an die Wand stieß.
Sie konnte nicht mehr weiter. Erika streckte die linke Hand aus und bat mit einer Geste um das Speichergerät. Jian warf sich mit dem Gesicht nach vorn auf den Boden, so dass ihr Körper die Festplatte bedeckte und schrie so laut sie konnte. Erika rannte zu ihr, packte die weitaus fülligere Frau an der Schulter, zerrte an ihr und versuchte, sie zur Seite zu rollen.
»Jian, gib sie mir!« Sie zog immer weiter, doch ohne Erfolg – Jian rührte sich keinen Zentimeter von der Stelle. Das Blatt der Axt würde durch die Rückseite ihres Schädels dringen wie durch eine Eierschale, doch Erika würde diese Frau ganz sicher nicht umbringen.
Sie setzte sich rittlings auf Jians Beine, packte eine Handvoll von Jians dichtem schwarzen Haar und zerrte daran. Jians Kopf wurde zurückgerissen, sie schrie auf vor Schmerz. Erika schob die Axtklinge unter Jians Kehle hindurch, packte den Griff mit beiden Händen und drückte das kalte Holz gegen das warme Fleisch.
Jian fing an zu würgen. Sie würde das Speichergerät loslassen müssen, um nach der Axt zu greifen, und dann wäre Erika in der Lage, die Festplatte zu zerstören und all dem ein Ende zu machen. Erika zog energischer, wodurch sie immer mehr Druck auf Jians dicken Hals ausübte, doch die Frau ließ einfach nicht los. »Geef me die cartridge, gestoord wijf!«
Jian fing an, sich hin und her zu werfen, wobei sie heisere Würgelaute ausstieß, doch sie hielt das Speichergerät fest.
Colding rannte ins Bioinformatik-Labor und wurde Zeuge einer bizarren Szene: Eine wutschnaubende magere fünfundvierzig Jahre alte Frau versuchte, mit einer Feuerwehraxt eine 225 Pfund schwere Chinesin zu erwürgen, die ein
Hawaiihemd trug. Zwei Wissenschaftlerinnen mittleren Alters, die auf sich einprügelten wie zwei Kontrahentinnen bei Rassenunruhen in einem Frauengefängnis.
Er näherte sich ohne zu zögern, und während er die Waffe senkte und den Abstand zu den beiden immer weiter verkleinerte, schoss ihm die Frage durch den Kopf, wo er die Pistole eigentlich verstauen wollte, denn er trug kein Holster. Er würde nicht auf die ältere Frau schießen – wenn er das tat, konnte die Kugel möglicherweise auch Jian treffen. Erika sah erst in dem Augenblick auf, als Colding ihre linke Schulter packte und sie zur Seite zog. Der Angriff traf sie völlig unvorbereitet. Ihre linke Hand rutschte vom Axtgriff, und sie stürzte nach hinten, während sie mit ihrer rechten noch die Mitte des Schafts umklammert hielt. Jian stieß ein zischendes, schmerzerfülltes Keuchen aus.
Colding hielt die Beretta ungeschickt mit seiner rechten Hand von sich weg; sie war im Moment eher ein Hindernis als eine Waffe. Erika rollte auf ihren Hintern und sah die Waffe. Augenblicklich begriff sie, wie ernst die Situation war, Panik erfüllte sie, und sie schüttelte sogar den Kopf, als wolle sie sagen: Nein, nein, das darf einfach nicht passieren.
»Doktor Hoel, lassen Sie – «
Doch weiter kam er nicht, denn in ihrer Panik schwang sie die Axt mit ihrer rechten Hand nach oben. Die Bewegung war langsam und ein wenig unbeholfen, doch er hatte nicht mit diesem Reflex gerechnet. Die Schneide des Axtblattes drang durch seinen Daunenparka. Kleine weiße Federn flogen in die Luft. Ein stechender Schmerz zog sich von seiner linken Schulter bis in sein Brustbein.
Der Schwung und das Gewicht der Axt rissen Erika, die noch immer auf ihrem Hintern saß, herum und nach vorn, als versuche sie, etwas vom Boden aufzuheben. Mit einem
dumpfen Aufschlag grub sich das Axtblatt in den Linoleumboden.
Colding griff an, ohne nachzudenken. Er machte einen Schritt nach vorn und trat Erika Hoel in die Rippen. Er spürte und hörte, wie etwas brach. Sie stieß einen merkwürdig spitzen Schrei aus, der fast sofort wieder verklang. Die Wucht des Tritts hatte sie auf den Rücken geschleudert. Die Axt blieb im Boden stecken, der Griff ragte in einem Winkel von fünfundvierzig Grad in die Höhe wie ein Requisit aus einem billigen Horrorfilm.
Während seine Brust immer noch vor Schmerzen brannte, machte Colding einen weiteren Schritt nach vorn und holte mit der Beretta aus. Er zielte auf Erikas Nasenrücken, doch im letzten Augenblick fand er seine Selbstbeherrschung wieder. Gegen seinen eigenen Schwung ankämpfend, beugte er sich zurück, so dass die Oberseite des Beretta-Laufs Erikas schmerzverzerrtes Gesicht nur noch mit der Kraft des Gutenachtkusses einer Mutter streifte.
Erika Hoel würde
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