Implantiert

Dienste der Wissenschaft, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er zusah, wie Tim Feely einen Schlauch in die Vagina einer Kuh schob. Gurte hielten das Tier ein paar Zentimeter über dem Boden. Tim trug lange Handschuhe, die mit einer klumpigen, weißlichen Substanz beschmiert waren, die sich Colding nur als Kuhsmegma vorstellen konnte.
    »Ein wenig tiefer«, sagte Rhumkorrf. Seine Stimme klang fast ausdruckslos, doch dahinter verbargen sich Wut und Anspannung. Er saß vor einem tragbaren Faseroptik-Terminal und starrte konzentriert auf den Bildschirm, der einen fleischigen rosa Tunnel zeigte – eine Aufnahme tief aus dem Mutterleib der Kuh.
    Das 3-D-Ultraschallgerät befand sich gleich in seiner Nähe, an die Tür der Box gegenüber von Kuh 16 gedrückt. Jian versteckte sich halb hinter der Maschine und versuchte, niemandem im Weg zu stehen. Rhumkorrf hatte das Gerät angewidert beiseitegeschoben, nachdem die golden schimmernde
High-Tech-Darstellung ihm nur einen Fötus gezeigt hatte, wo gestern noch zwei gewesen waren. Dann hatte er offensichtlich angefangen herumzuschreien, weshalb Jian aus dem Flugzeug geschlüpft war und Colding gebeten hatte, mit ihr zurück in die C-5 zu kommen.
    »Tiefer«, sagte Rhumkorrf. »Stecken Sie das Ding da rein.«
    »Ich liebe es, wenn Sie so schmutzig daherreden, Doc«, sagte Colding.
    Rhumkorrf seufzte und schüttelte den Kopf. »Das ist jetzt nicht der richtige Augenblick für Ihre dämlichen Witze.«
    »Wie bedauerlich«, sagte Colding. »Ich habe nur versucht, die Stimmung ein wenig aufzulockern.«
    Der Versuch war misslungen. Rhumkorrf war wütend, weil, so schien es, die Kuh einen der beiden Föten reabsorbiert hatte. Zur Reabsorbtion kam es, wenn der Körper der Mutter die primitive, doch genau abgewogene Entscheidung traf, den kleinen Fötus nicht nur abzustoßen, sondern ihn darüber hinaus zu zerlegen und das Rohmaterial neu zu verwenden. Das Problem war, dass es üblicherweise nur zu einer Reabsorbtion kam, solange die Föten nicht mehr als ein paar Dutzend Gramm wogen.
    Es kam nicht dazu, wenn sie fast zwanzig Pfund schwer waren.
    »Tiefer, verdammt nochmal!«, schrie Rhumkorrf. »Ich habe nicht den ganzen Tag lang Zeit!« Die Haare, die er über seine Halbglatze gekämmt hatte, begannen in alle Richtungen abzustehen.
    Tim, der in der Box der Kuh stand, fing an zu schwitzen.
    »Doc, bitte«, sagte Colding. »Gehen Sie’s ruhiger an.«
    »Ich kann auf Ihre Kommentare verzichten, Colding. Halten Sie die Klappe, oder ich schmeiße Sie raus. Mister Feely,
Sie unerträglicher Idiot, könnten Sie Ihren verdammten Job machen?«
    Das war genug. Colding legte die Hand auf Rhumkorrfs Schulter und schob seinen Daumen umittelbar auf der linken Seite des Nackens hinter den Trapezmuskel, wobei sein Zeigefinger direkt über dem Schlüsselbein lag. Er drückte die beiden Finger zusammen. Rhumkorrf erstarrte auf seinem Stuhl und stieß mit einem kurzen Zischen die Luft aus.
    »Wir alle stehen hier gewaltig unter Stress, Doc. Finden Sie das nicht auch?«
    »Ja«, sagte Rhumkorrf. »Natürlich.«
    »Gut. Und Sie wissen, wie Schreien und Stress auf Jian wirken. Also sollten wir uns alle beruhigen. Tim macht das doch ganz ordentlich, meinen Sie nicht?«
    Colding drückte nicht mehr ganz so fest zu, doch er hielt den Muskel auch weiter mit sicherem Griff zwischen Daumen und Zeigefinger.
    »Natürlich«, sagte Rhumkorrf. »Äh … Timothy, entschuldigen Sie.«
    Tim in der Box nickte geistesabwesend. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem faseroptischen Schlauch.
    Colding ließ Rhumkorrfs Schulter los und rieb kurz und freundlich darüber. »Machen Sie weiter, Doc. Jetzt läuft doch alles gleich viel besser.«
    Rhumkorrf beugte sich nach vorn. Gut möglich, dass er Coldings Vorwürfe bereits vergessen hatte. Auf dem Monitor erschien ein kristallklares Bild. Colding spürte, wie Jian an seine rechte Seite trat, während Tim sich links neben ihn stellte. Alle drei sahen über Rhumkorrfs zerzauste Frisur hinweg auf den Bildschirm.
    Rhumkorrf hob die Hand und deutete mit den Fingern auf das Bild. »Wunderschön, nicht wahr?«

    »Es ist größer«, sagte Tim leise. »Es sollte nicht … es kann nicht so groß sein.«
    Eine Plazenta füllte den Bildschirm aus. Sie war rosaweiß, durchsichtig und von roten und blauen Adern durchzogen. Innerhalb des sackförmigen Gebildes sah man die Kreatur, den Vorfahren aller Säugetiere, im Profil. Der Kopf des Wesens wirkte doppelt so lang wie der