In aller Unschuld Thriller
fehlte allerdings einer davon.
Das war seltsam. Natürlich war es möglich, dass der Koffer sich zur Reparatur befand.
Er machte sich noch einmal über den Kleiderschrank her, genauer diesmal, untersuchte die Kleiderstangen. Hier eine kleine Lücke, dort eine kleine Lücke. Es konnte sein, dass etwas fehlte, oder auch nicht.
Aber der fehlende Koffer …
Falls jemand ein paar Sachen eingepackt hatte, war es nicht Carey Moore gewesen. Sie hätte dieses Haus niemals freiwillig verlassen, ohne ihre Tochter mitzunehmen.
Welcher Entführer nahm für sein Opfer Kleidung zum Wechseln mit?
Falls sich der fehlende Koffer im Besitz des Entführers befand, bestand immerhin die Hoffnung, dass er nicht die Absicht hatte, Carey umzubringen.
Er gab sich nicht die Mühe, darüber nachzudenken, warum.
43
Carey war schwindlig und übel. Der Gestank von Abgasen und Benzin war unerträglich.
Sie hoffte, dass das Ziel dieser Fahrt bald erreicht war, sonst würde sie an einer Kohlenmonoxidvergiftung sterben. Andererseits hatte sie nach der Ankunft dort vermutlich nichts Gutes zu erwarten. Wahrscheinlich würde sie sich noch wünschen, sie wäre unterwegs gestorben.
Sie hatte den engen Kofferraum abgetastet, auf der Suche nach irgendetwas, das sie als Waffe verwenden konnte – ein Radkreuz, einen Schraubenschlüssel, irgendetwas. Aber sie hatte nichts gefunden.
Als sie sich auf die rechte Seite rollte, bohrte sich etwas Eckiges in ihre Hüfte. Sie tastete mit den Fingerspitzen danach und
spürte neue Hoffnung in sich aufsteigen.
Ihr Handy.
Sie erinnerte sich daran, dass sie es nach dem Gespräch mit Kovac letzte Nacht in ihre Hosentasche gesteckt hatte. David war kurz zuvor aus dem Haus gestürmt. Sie hatte Kovac angerufen, um ihm Bescheid zu geben. Er hatte direkt vor ihrem Haus gestanden, bereit, ihr zu Hilfe zu eilen.
Als sie schließlich ins Bett gegangen war, war sie zu erschöpft gewesen, um sich auszuziehen. Oder vielleicht hatte sie sich bereits zu ausgeliefert und verletzlich gefühlt.
Mit zitternden Händen zog sie das Handy aus der Hosentasche und schaltete das Display ein.
Die Notrufnummer.
Ihr Finger rutschte immer wieder von den Tasten, als sie die Nummer eingab. Vertippt. Sie versuchte es erneut.
Ihr Herz schlug wie eine Faust gegen ihre Rippen.
Das einzige Geräusch, das das Telefon von sich gab, war eine Reihe von Piepstönen, dann verstummte es wieder. Auf dem Display erschien die Meldung »Kein Netz«.
Kein Netz.
Kein Klingelton.
Keine Hilfe.
44
Kovac rief auf dem Polizeirevier in Edina an und veranlasste, dass man einen Streifenwagen zur Wohnung von Ginnie Bird schickte, um sie daran zu hindern, das Haus zu verlassen. Hoffentlich hatte sie es nicht schon getan. Seit David Moore das Haus betreten hatte, war er keine zwei Sekunden lang allein gewesen, in denen er seine Freundin hätte anrufen können. Aber wer auch immer ihm einen Anwalt besorgt hatte – Edmund Ivors, wie Kovac vermutete – , hätte auch der Bird sagen können, dass sie besser verschwinden sollte.
Ginnie Bird musste von den anderen getrennt werden. Kovac war sicher, dass er es schaffen würde, sie zum Reden zu bringen, wenn er sie allein zu fassen bekam. Ohne Moore oder Ivors, die ihr die Worte in den Mund legten, würde sie nicht wissen, was sie tun sollte. Sie hatte nicht genug Rückgrat, um ihm Widerstand zu leisten.
Als er vor dem Haus vorfuhr, stand sie auf dem Bürgersteig und wirkte ganz und gar nicht glücklich angesichts der beiden Polizisten, die sich vor ihr aufgebaut hatten.
Kovac trat zu ihnen. »Ms. Bird. Belästigen die beiden Sie?«
»Sie lassen mich nicht wegfahren«, sagte sie nervös. »Das können sie doch nicht machen … oder?«
»Na ja, das ist meine Schuld«, sagte Kovac. »Ich habe sie gebeten, Sie festzuhalten, bis ich hier bin.«
Ginnie sah ihn misstrauisch an. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ich weiß nicht, was mit Davids Frau passiert ist.«
»Sie wussten, dass er eine Frau hat«, sagte Kovac. »Das zeigt mir, dass Sie keine klugen Entscheidungen treffen, Ginnie. Es wäre allerdings schon nicht besonders klug, sich mit einem miesen Typen wie Moore einzulassen, wenn er nicht verheiratet wäre. Warum nehmen Sie all die Schwierigkeiten auf sich, die eine Affäre mit so einem Kerl mit sich bringt? Ein hinterhältiger, schwächlicher Lügner …«
»Ich liebe ihn!«, sagte sie mit Nachdruck. »Sie wissen überhaupt nichts über ihn.«
Kovac schüttelte den Kopf. »Schätzchen, ich weiß alles
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