In aller Unschuld Thriller
nicht lange«, sagte Kovac.
»Zehn, fünfzehn Minuten. Ich kann's allerdings nicht beschwören. Mittlerweile hatte sich die Bar ziemlich gefüllt. Cocktailstunde. Aber ich weiß, dass er nicht so lange hier war wie die anderen.«
Lange genug, um Bescheid zu geben, dass er den Job erledigt hatte, dachte Kovac. Lange genug, um sich seine Bezahlung abzuholen.
Moore, du Scheißkerl.
Ein Gefühl der Erregung machte sich in ihm breit, wie jedes Mal, wenn die Puzzlesteine in einem Fall anfingen, sich ineinander zu fügen. Am liebsten wäre er sofort aufgesprungen und hätte Moore zum Verhör zitiert, aber er wusste, dass das noch nicht möglich war, dass er noch nicht genug gegen ihn in der Hand hatte. Er brauchte den Namen des fuchsgesichtigen Kerls in Schwarz. Der Kerl, der hier zwischen sieben und sieben Uhr dreißig aufgetaucht war und der damit zum Zeitpunkt des Überfalls leicht im Parkhaus gewesen sein konnte.
Und den Namen konnte er nur von dem schwächsten Glied des Trios bekommen, von Ginnie Bird. Wenn er sie allein erwischen könnte, würde er sie bald zum Sprechen bringen.
Das Klingeln seines Handys riss ihn abrupt aus seinen Gedanken.
»Kovac.«
»Hallo Detective. Richterin Moore verlässt gerade das Haus. Wir dachten, dass Sie das vielleicht wissen wollen.«
28
»Ich fahre zum Gericht«, sagte Carey.
Sie stand in der Diele neben der Eingangstür und mochte nicht einmal die paar Schritte bis ins Arbeitszimmer gehen, wo David den ganzen Tag vor seinem Computer gesessen hatte. Sie wollte ihn nicht sehen, sie wollte nicht mit ihm sprechen, wollte seine Stimme nicht hören.
Er blickte erstaunt auf. »Warum? Du sollst doch hierbleiben.«
»Ich bitte einen der Polizisten, mich zu begleiten«, sagte sie. »Ich werde eine Weile nicht in meinem Büro sein. Da kann ich mir doch wenigstens ein paar Akten vornehmen und Papierkram erledigen.«
»Ruf deine Sekretärin an. Sie soll dir die Sachen herbringen.«
Carey erwiderte nichts. Natürlich hätte sie das tun können. Sie hätte es tun sollen. Sie war immer noch wacklig auf den Beinen und brauchte einfach Ruhe. Aber die Wahrheit war, dass sie einfach nicht mit ihrem Mann allein im Haus sein wollte. Sie war sich noch nicht im Klaren darüber, was sie tun sollte, ob sie ihn mit dem, was sie wusste, konfrontieren sollte, oder abwarten und weitere Beweise gegen ihn sammeln, oder Kovac alles erzählen …
Sie wollte nicht das Schlimmste annehmen – dass der Mann, den sie einst geliebt und geheiratet hatte, sie so sehr hassen könnte, dass er jemanden dafür bezahlte, sie zu töten. Aber der David, dem sie heute Morgen gegenübergestanden hatte, war ein anderer. Dieser David führte ein Doppelleben, von dem sie nichts wusste. Dieser David war ein Fremder für sie. Sie hatte keine Ahnung, wozu er möglicherweise fähig war.
»Ich bleibe nicht lange weg«, sagte sie.
Lucy kam die Treppe heruntergestürmt, in einem rosafarbenen Feenkostüm und ihr Lieblingsspielzeug in der Hand, einen Plüschhund, den sie auf den Namen Marvin getauft hatte. »Mommy, ich will mit! Ich will mitfahren! Bitte.«
Carey fing ihre Tochter auf und drückte sie fester an sich, als sie es sonst zum Abschied machte. »Schätzchen, ich bin nur ganz kurz weg und komme gleich wieder.«
»Ich will mit«, sagte Lucy stur, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Sie hatte Angst. Angst, dass ihre Mutter noch einmal verletzt werden könnte, Angst, dass sie nie mehr nach Hause käme. Lucy war ein kluges und aufgewecktes Kind. Sie wusste, dass etwas Schlimmes passiert war, dass ihre Mutter nicht einfach nur hingefallen war. Carey war klar, dass ihr auch die Konflikte zwischen ihren Eltern nicht entgingen. Sie stritten sich niemals in ihrer Gegenwart, aber die Spannungen zwischen ihnen brachten die Luft förmlich zum Knistern. Lucy nahm das wahr. Folglich konnte sie ja gar nicht anders, als verunsichert zu sein.
»Na gut«, sagte Carey. »Du darfst mitfahren.«
Augenblicklich erschien ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht ihrer Tochter. »Können wir mit einem Polizeiauto fahren?«
»Nein. Der Polizist fährt uns mit Daddys Auto.«
»Mit meinem Auto?«, fragte David. »Warum denn das?«
»Weil mein Wagen bei der Polizei steht und von der Spurensicherung untersucht wird«, erwiderte Carey. »Wolltest du irgendwohin?«
»Nein«, sagte er und suchte dabei offensichtlich angestrengt nach einem stichhaltigen Grund, warum er nicht wollte, dass sie sein Auto benutzte. »Es liegen nur ein paar
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