In aller Unschuld Thriller
an einem Fall wie diesem arbeiteten. Eine Wand wurde von einem Ende zum anderen von einer weißen Tafel eingenommen. Darauf waren mit Marker Hinweise, Fragen, Einzelheiten notiert, die sich leicht wieder abwischen ließen, um dem nächsten, ebenso schrecklichen Fall Platz zu machen.
»Ich habe mich erkundigt, ob Stan Dempsey außer seinem Haus noch irgendwelche anderen Immobilien besitzt«, sagte Elwood. »Nichts. Aber immerhin habe ich herausgefunden, dass es in dieser Gegend einundvierzig Grundbesitzer mit dem Namen Dempsey gibt. Einer von ihnen könnte mit ihm verwandt sein. Das wird im Augenblick gerade überprüft.«
»Haben wir seine Exfrau gefunden?«, fragte Liska.
»Auf dem Friedhof«, erwiderte Dawes. »Sie ist voriges Jahr gestorben. Hirntumor. Von der Tochter habe ich übrigens noch nichts gehört«, fuhr sie fort. »Ich habe die Polizei in Portland gebeten, uns bei der Suche zu helfen.«
»Hat irgendjemand Kenny Scott vor Stan gewarnt?«, fragte Kovac. »Als Verteidiger von Dahl steht er bestimmt auf der Abschussliste.«
»Ich habe ihn angerufen«, sagte Dawes. »Es war aber nur der Anrufbeantworter dran. Ich habe eine Streife zu seinem Haus geschickt, die sollen dort warten, bis er auftaucht. Möglicherweise hat er ja die Stadt übers Wochenende verlassen.«
»Vielleicht sollte er den Ausflug gleich auf unbestimmte Zeit verlängern«, sagte Tippen. »Wenn seine Adresse bekannt wird, hat er in Kürze einen wütenden Mob mit Fackeln und Mistgabeln in seinem Vorgarten stehen.«
»Er ist als Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt worden«, sagte Dawes. »Er vertritt Karl Dahl nicht freiwillig.«
»Nein«, pflichtete Tippen ihm bei, »aber er legt freiwillig ziemlich viel Eifer an den Tag.«
»Die Leute in Minnesota hassen Eifer«, sagte Elwood. »Eifer steht zusammen mit Freude und Verzweiflung ganz oben auf der Liste verdächtiger Gefühlsregungen.«
»Da weiß einer, wovon er spricht«, riet Tippen.
Dawes wandte sich an Kovac. »Sam, was haben Sie?«
»Kopfschmerzen«, sagte er. »Mir gefallen die Leute nicht, die das Alibi des Ehemanns bestätigen. Der eine ist aalglatt, die andere ist eine Nutte. Moore hat gestern gegen drei im Marquette eingecheckt. Moore und die Nutte waren gestern so ab sechs, Viertel nach sechs in der Lobby-Bar. In der Zeit dazwischen hat er die Nutte gevögelt, konnte also nicht im Parkhaus sein. Der Typ, Edmund Ivors, ist gegen sieben zu ihnen gestoßen.«
»Edmund Ivors?«, wiederholte Tippen. »Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Er ist so eine Art Multiplex-Filmmogul«, sagte Kovac. »Der interessanteste Teil der Geschichte ist, dass noch ein dritter Kerl für kurze Zeit zu ihnen gestoßen ist. Weder Moore noch Ivors haben was von einem dritten Mann gesagt, als ich sie vernommen habe. Die Barfrau beschreibt den Kerl als um die dreißig, dunkle Jeans, schwarze Jacke, schwarzes T-Shirt. War ungefähr zehn Minuten da.«
»Lange genug, um zu melden: ›Hey, ich hab versucht, Ihre Frau umzubringen, musste aber leider abhauen. Ich will mein Geld‹«, sagte Dawes.
»Ja, so in etwa stelle ich mir das vor. Wir brauchen einen Gerichtsbeschluss, damit das Hotel das Überwachungsvideo rausrückt.«
»Hat die Barfrau gesehen, dass sie irgendetwas ausgetauscht haben?«
Kovac schüttelte den Kopf. »Es war viel Betrieb in der Bar. Sie hat gesehen, dass der Typ mit den anderen geredet hat, und dann war er auch schon wieder weg. Moore, der aalglatte Typ und diese Bird sind dann zum Essen gegangen und wer weiß, was sie noch gemacht haben. Die Barfrau sagt, Ivors hätte auf sie wie einer dieser Perversen gewirkt, die gern dabei zusehen.«
Liska rümpfte die Nase. »Igitt!«
»Welches Motiv hat Moore?«, fragte Elwood. »Abgesehen davon, dass er ein Arschloch ist.«
»Geld«, sagte Kovac. »Wenn sie sich von ihm scheiden lässt, kriegt er die Hälfte. Wenn er sie umbringen lässt, kriegt er alles.«
»Sie lässt sich von ihm scheiden?«, fragte Liska und sah ihn scharf an.
»Das ist doch nur eine Frage der Zeit«, sagte Kovac und wich ihrem Blick aus. Er durfte Careys Vertrauen nicht enttäuschen. Niemand brauchte zu wissen, dass es nur noch wenige Stunden bis zur großen Konfrontation waren, am wenigsten Liska. »Dieser Clown lebt schon seit einer ganzen Weile auf ihre Kosten, würde ich sagen. Er hat seit Jahren keinen Film mehr gedreht. Er macht auf Dolce Vita, während sie mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus liegt. Man kann die Spannungen zwischen
Weitere Kostenlose Bücher