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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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Schreibtisch und einem Hocker auf Rädern. Ich setze mich auf das mit Papier bedeckte Ende der Liege und hoffe, dass der Doktor nicht noch mal die Nacht von neulich durchkauen will.
    Dr. Williams kommt freundlich lächelnd rein und wäscht sich die Hände.
    »Ist das nicht ein schöner Morgen?«, fragt er, setzt sich auf den Hocker und rollt zu dem kleinen Schreibtisch.
    »Glaub schon.« Ich versuche zurückzulächeln.
    »Glaubst du«, wiederholt er und klappt meine Akte auf, überfliegt sie kurz und schlägt sie dann wieder zu.
    »Nun, du siehst viel besser aus als letztes Mal«, sagt er, so als sei er stolz auf mich. Er rollt mit dem Hocker auf mich zu und nimmt meine Hände. Dreht sie um, drückt die Fingerspitzen. »Und wie geht es deinen Fingern und Zehen? Irgendwelche empfindlichen Stellen? Irgendwelche Probleme?«
    »Nein. Wirklich, alles ist bestens.«
    Er steckt sich das Stethoskop in die Ohren. »Beug dich bitte vor und hole dreimal tief Luft. Ich werde schnell mal deine Brust abhören.«
    Ich lehne mich nach vorn und er setzt mir das Stethoskop auf den Rücken. »Hast du gewusst«, sagt er, nachdem er mir eine Weile beim Atmen zugehört hat, »dass tiefes Atmen das parasympathische Nervensystem stimuliert und dass das gut ist, weil es deiner Reaktion auf Stress entgegenwirkt?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Der Trick ist, sich zu stellen, nicht zurückzuzucken. Wenn du willst, kannst du die Augen schließen, dann atme durch die Nase ein, einen großen Atemzug, ganz tief, dann lass die Luft langsam wieder raus.«
    »Okay«, sage ich. Nach meinem Gespräch mit Zara hab ich so viel im Kopf, dass es mir schwer fällt, mich auf die Anweisungen zu konzentrieren.
    »Deine Lungen sind frei und du siehst viel besser aus, Wren.« Er lehnt sich zurück und klopft mir aufs Knie. »Ich komme gern noch mal auf das Angebot zurück, dir ein Antidepressivum zu verschreiben, aber tief durchatmen ist immer gut in einer Notlage.« Er zwinkert. »Noch irgendwelche Fragen oder Anliegen?«
    Ich schüttele den Kopf. Was soll ich sagen? Seit ich mich fast umgebracht habe, indem ich wie eine Wahnsinnige mitternachts durch die Wälder gelaufen bin, erlebe ich leicht verstörende Anflüge von Selbstzweifel? Mein Dad lässt mich nicht mehr allein im Haus und hat sein ganzes Leben umgekrempelt, um mich vor irgendwelchen Dummheiten zu bewahren?
    Ich schaue Dr. Williams an. Seine Augen sind hell, kleine Lachfältchen fächern sich an den Augenwinkeln.
    Wieder schüttele ich den Kopf und ringe mir ein weiteres Lächeln ab. Dann schließe ich die Augen und atme tief ein, wie er gesagt hat, halte den Atem an und lasse ihn dann langsam los. Das trägt mir ein lautes Lachen von Dr. Williams ein, der aufsteht, meine Akte nimmt und zur Tür geht.
    »Wir haben wirklich viel zu tun heute Morgen«, sagt er und schreibt etwas auf einen Zettel, den er mir reicht, »aber es ist toll, den Tag mit jemandem anzufangen, der so helle und gesund ist wie du. Ich bin hier, wenn du mich brauchst. Okay?«
    »Okay.« Ich nicke. Die Sonne steckt einen Finger durch die Jalousie und lässt ihr Licht auf seine Stirn fallen, sodass er aussieht wie ein Heiliger. Ich lächele.
    »Ach, und Wren«, sagt er, als er schon halb aus der Tür ist, »könntest du Cal bitten, bei uns anzurufen?«
    Ich schau auf den Zettel. ATME , steht in großen Buchstaben drauf, darunter eine Handynummer. Noch jemand, der auf mich achtgibt.
    Helle und gesund. Im Kopf drehe und wende ich seine Worte.

Meredith
    Ich rieche sie, bevor ich sie sehe. Ein kleiner Hauch von Sommerblumen. Dr ô le de Rose , ein Pariser Duft von ihrer Großmutter. Das Einzige, das Meredith nicht geändert hat, seit wir klein waren.
    Ein Bündel mit einer Schleife zusammengebundener Briefe gleitet über die Länge des Lesetisches auf mich zu. Dann noch eins. Ich schaue auf. Meredith. Sie sitzt am anderen Ende des Tisches. Hier. In meiner kleinen Biblio thek. Sie geht fast unter in dem enormen dunkelblauen Arktik-Tundra-Kaliber von Parka und den Stiefeln mit Fellrand. Ich hab sie nicht mal reinkommen sehen.
    Ich klappe das Buch zu, das ich gelesen habe, und schau rüber zu Lucy am Ausgabetresen. Sie zieht eine Augenbraue hoch, nimmt ihren Kaffee und geht zum Sessel hinten in der Ecke.
    Die gebündelten Briefe liegen vor mir, Relikte aus dem verlorenen Land der Freundschaft. Oder vielleicht Geschosse. Bin mir nicht sicher, was sie sind. Hab das Gefühl, es ist schon über tausend Jahre her, seit ich meinen letzten Brief

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