In allertiefster Wälder Nacht
willkommen heißen. Besonders, da er entschlossen war, seine Verpflichtung den Stipendiaten gegenüber aufrechtzuerhalten, aber er hielt das für keine gute Idee. Er meinte, du wärst nicht in der Verfassung, dich würde zu viel belasten. Ich hätte ihn mehr unter Druck setzen sollen. War ein Fehler.«
So sachlich.
Ich probiere ein paar Löffel Joghurt. Er ist gut. Nicht zu süß. Sie hat ein bisschen Orangenmarmelade reingerührt.
»Willst du sonst noch irgendwas wissen?«, fragt sie, während sie isst.
»Bist du von hier?«
Sie schüttelt den Kopf. »Kalifornien. In meinen frühen Zwanzigern bin ich in den Osten gezogen. Meinem Herzen gefolgt.«
»Aber nicht wegen meinem Dad?«
Sie lächelt und schüttelt den Kopf. »Nein, nicht für deinen Dad. Er war bei euch, und ich war damals verheiratet. Mit jemandem, den ich im College kennengelernt hatte. Er war ein Singer-Songwriter.«
»Und ihr habt euch scheiden lassen?«
Sie seufzt ein bisschen, streicht ihr Haar hinters Ohr zurück. Scheint ganz weit weg zu sein.
»Mmmm-hmmm. Es wurde kompliziert. Er ist rumgereist, wir waren viel getrennt.«
»Hast du Kinder?« Ich stelle mir eine Wagenladung Stiefgeschwister vor.
Traurigkeit zieht über ihr Gesicht. Wieder schüttelt sie den Kopf.
»Wir haben ein Baby verloren, unseren Sohn. Er wurde tot geboren. Das habe ich nicht verkraftet. Mein Mann, Chris, ging wieder auf Tour. Wir konnten uns nicht in die Augen sehen. Nach ungefähr einem Jahr hab ich die Trennung vorgeschlagen und er hat schnell eingewilligt. Ich hab es hinter mir gelassen.«
Immer trampele ich genau auf den wunden Punkten anderer Leute herum. Ich zupfe an meiner Platzdecke. Schaue sie an. Sie wirkt nicht erschüttert oder so. Sieht aus, als warte sie auf eine weitere Frage.
»Und wirst du noch ein Kind kriegen … mit meinem Dad?«
Das scheint sie zu amüsieren und ich komme mir ein bisschen blöd vor.
»Nein, für mich ist es zu spät, und dein Dad ist zu alt, um eine neue Familie zu gründen. Ich … es ist in Ordnung. Für mich hat es andere Gelegenheiten gegeben, nach meinem Sohn, aber ich hab sie nicht wahrgenommen. Vermutlich bedeutet das, dass ich es nicht genug gewollt habe.«
Sie legt ihren Löffel hin, schaut mich an. Ich winde mich ein bisschen. Das ist wie ein emotionales Durchleuchten.
»Wren, ich kenne mich aus mit Trauer«, sagt sie.
Zeit für den Peptalk. Bis jetzt war sie ganz in Ordnung. Ich mache mich auf was gefasst.
»Das ist etwas, das Leute erst verstehen, wenn sie es durchgemacht haben.«
Sie trinkt ihren Kaffee in kleinen Schlucken.
»Du bist noch im ersten Jahr«, sagt sie schließlich leise. »Das erste Jahr ist wirklich schwer. Nachdem ich meinen Sohn verloren hatte, war mir alles egal. Ich hab vieles fallen lassen … meine Ehe. Aber es wird besser. Letztendlich. Du kommst wieder zu dir. Es geht nicht weg. Du lernst damit zu leben … mit allem.«
Das hatte ich nicht von ihr erwartet.
Ich versuche, nicht zu weinen, halte den Atem an. Dann lasse ich ihn los.
»Bist du auch Künstlerin?«, frage ich mit einer seltsamen Stimme. »Ich mein, du selbst, wenn du nicht mit meinem Dad arbeitest?«
Sie steckt den Themenwechsel locker weg.
»Ich male. Aber ich muss es nicht Tag und Nacht tun, so wie er. Ich gestalte gern. Und natürlich habe ich Mercy House. Ich bin gern beschäftigt. Und du?«
Ich zucke die Achseln.
»Dein Dad ist ziemlich stolz auf deine Fotos. Wusstest du, dass er ein kleines Buch damit im Atelier hat?«
Ich hatte keine Ahnung. Ich schüttele den Kopf.
»Die, die du ihm gemailt hast. Alle paar Monate wählt er ein oder zwei aus und schickt sie an einen Freund von uns, einen Drucker. Hitoshi macht für deinen Dad Abzüge. Letztes Jahr hat er einige zu einem kleinen Buch zusammengeheftet und es sich zu seinem Geburtstag geschenkt.« Sie zwinkert mir zu. »Sag ihm doch, dass du es sehen willst.«
Mir gegenüber hat mein Dad das mit keinem Wort erwähnt. Ich bin sprachlos.
Sie kriegt ein Funkeln in die Augen.
»In deinem Dad geht viel mehr vor, als er sich anmerken lässt«, sagt sie. »Sein Herz ist riesengroß … das habt ihr gemeinsam.«
Ich starre eine Weile auf mein Essen.
»Keine Ahnung, was ich bin. Ob ich Künstlerin bin oder nicht«, sage ich. »Und ob ich auf die Kunsthochschule gehen sollte. Ich habe immer Sachen gemacht. Als ich neun war, hat mein Dad mir eine Kamera geschenkt, eine kleine Instamatic – seitdem hab ich immer eine benutzt.«
»Wie ich gehört habe, hast du
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