In allertiefster Wälder Nacht
Unordnung«, sagt er und schaut sich um. »Ich bin … ich war ein bisschen …«
Unsere Blicke treffen sich, und einen seltsamen Auge nblick lang denke ich, dass ich ihn vielleicht liebe, lieben könnte. Das Gefühl durchzuckt meine Mitte, bohrt sich mitten durch mich durch. Macht mich auf. Dann dieses erstickende Gefühl im Hals. Ich schlucke es weg. Heftig.
»Ich weiß, dass du nicht sprichst«, sagt er. »Hat Mary mir erzählt.«
Ich schau ihn nur an. Ich glaube, ich könnte nichts sagen, selbst wenn ich wollte.
»Ist in Ordnung. Ich brauch bloß jemanden, der mich fährt. In die Stadt. Zu Dr. Williams.« Er schaut auf die Wand. »Der Schrank ist da drüben. Holst du mir Jeans und ein Paar Socken?«
Ich geh zu seinem Schrank. Berühre die Vertäfelung und die Tür öffnet sich geräuschlos. Seine Hemden hängen in einer Reihe, ganz ordentlich. Alles andere ist auf Regale gestapelt. Es riecht wie er. Frisch. Ich nehme ein Paar Socken, Jeans, ein sauberes T-Shirt und einen Pullover, lege alles neben ihn auf die Couch. Ganz kurz streckt sich mein Arm von ganz allein, so als wollte ich sein Gesicht berühren oder so was. Ohne zu denken. Als ob er mir gehören würde. Als ob ich ihn einfach berühren dürfte. Ich weiche zurück.
»Danke«, sagt er, meidet meinen Blick. »Das ist gut so. Ich komm gleich raus.«
Ich geh aus dem Zimmer. Mein Herz rast wie das eines Vogels, flattert, setzt ein paar Schläge aus, ist kleiner als sonst. Mein kühnes Herz. Wahrscheinlich ist es hin. Wird immer klein bleiben und unerreichbar.
Ein paar Minuten später kommt er ins Wohnzimmer, eine Hand an der Wand, als wäre die eine Art Anker, auf eine Krücke gestützt. Ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Ich geh rüber zu ihm, leg ihm den Arm um die Taille. Er lehnt sich ein bisschen an mich und wir gehen raus zum Auto.
Das letzte Mal sehe ich ihn im Wartezimmer von Dr. Williams’ Praxis. Eine Weile später kommt eine Frau im geblümten Kittel und sagt mir, ich könne fahren. Mit professionellem Lächeln. Das müssen sie denen in der Schwesternschule beibringen. Ich sitze in dem hässlichen blaugrünen Wartezimmer und weiß nicht, was ich tun soll.
»Ist schon in Ordnung«, sagt sie und dreht sich noch mal zu mir um, ehe sie wieder ins Büro geht. »Ich sollte dir von ihm ausrichten, dass du nicht warten sollst. Er findet schon eine Mitfahrgelegenheit. Wir behalten ihn eine Weile hier.«
Ich fahre also allein weg. Das Haus ist leer, als ich ankomme. Dasselbe gilt fürs Atelier. Ausnahmsweise bin ich enttäuscht. Ich überlege, ob ich jemanden hätte anrufen sollen? Ob ich jetzt jemanden benachrichtigen sollte? Seine Familie vielleicht. Cals Schlüssel werfe ich in den Korb auf dem Küchentresen, dann schnapp ich mir meine Laufklamotten. Wenn ich drinnen bleibe, werde ich noch ewig grübeln.
Der Himmel ist jetzt niedriger und rötlich. Eisige Luft schlägt mir ins Gesicht, versengt meine Lungen. Ich fange langsam an, versuche, mich von meinem Körper tragen zu lassen, still, einfach, aber nicht mal das Laufen kriege ich richtig hin. Mein Verstand ist wach, Worte fliegen um mich herum wie Wirbel aus glänzendem Schnee, der im kalten Wind von der Straße hochtreibt. Soll ich zurück in die Stadt fahren … zu Cal? Sag ich es meinem Dad? Rufe ich irgendwo an? Meine Muskeln sind verkrampft. Nichts fühlt sich richtig an. Vielleicht sollte ich nach Hause laufen, Larkin lesen, einschlafen.
Ich zwinge mich zum Weiterlaufen. Stumm zähle ich meine Schritte. Umkreise das Haus, bis ich meinen Rhythmus finde. Obwohl ich kein Wort gesagt habe, ist dieses Gefühl der Stille weg, ich kann es nicht mehr über mich breiten. Zum ersten Mal seit Monaten wünschte ich, ich könnte Meredith anrufen. Ihr alles erzählen. Sie würde wissen, was zu sagen, was zu tun ist. Sie würde das Kommando übernehmen oder mich auslachen, alles nicht ganz so groß erscheinen lassen oder nicht ganz so schlimm. Aber ich kann es nicht, tu es nicht. Ich glaube nicht, dass es noch einen Weg zurück gibt, nachdem etwas so weit aufgerissen worden ist.
Ich laufe die Pfade entlang zu Cals Straße. Jogge in meinen Reifenspuren, bis ich zum Haus komme. Es ist jetzt still. Leer. Ich wünschte, ich hätte etwas zu ihm gesagt, ein freundliches Wort. Mich zusammengerissen und Dads Winterdienst angerufen, damit die Schneeberge von der Auffahrt geräumt werden. Hatte er das Haus die ganze Woche nicht verlassen? Meredith hat recht. Ich bin egoistisch. Kleinherzig.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher