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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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hässliches kleines Lächeln schleicht sich über meine Lippen, besser fühle ich mich deshalb nicht. Ich werde ihn abhängen. Am Wasser entlanglaufen, alles so schwer machen, wie ich nur kann.
    Er sprintet zum Atelier und ist Sekunden später wieder da, mit den Laufschuhen an den Füßen und einem nervig federnden Schritt.
    »Du läufst voran«, sagt er mit einer galanten Verbeugung. Er flirtet.
    Er ist ein Blödmann. Er ist ein Blödmann. Er ist ein Blödmann.
    Wir laufen los.
    »Also …«, beginnt er. Wir sind auf dem Seitenstreifen vom Highway. »Hast du rausgekriegt, was man hier unternehmen kann, nach Feierabend? Der Geheime Filmclub ist gestorben, vermute ich. Mary schien da die treibende Kraft gewesen zu sein.«
    Ja. Mary die Kraft. Arme Mary. Ich muss immer daran denken, dass sie ihr Stipendiat damit zugebracht hat, auf mich aufzupassen, wahrscheinlich hat sie gehofft, dass mein Dad sie tatsächlich mal so betreuen würde, wie es eigentlich vorgesehen war. Ich antworte nicht. Lasse ihn außen laufen. Vielleicht wird er von einem vorbeifahrenden Auto erfasst oder von einem Lastwagen.
    Er versucht es noch mal. »Dein Dad meint, du würdest die Kunsthochschule ansteuern? Im Frühling? Oder nächsten Herbst?«
    Gott, mein Dad redet mit ihm über mich? Ich werfe ihm noch einen verärgerten Blick zu. Er ist überhaupt nicht außer Atem. Dieser langbeinige Schritt. Wird nicht leicht sein, ihn fertigzumachen, nicht mal mit Heimvorteil.
    »Ich red wirklich nicht gern beim Laufen.«
    Er hält die Klappe und wir legen ein anständiges Tempo vor. Weiter südlich biege ich dann zu den Waldwegen ab, dort, wo die Küste zu sehen ist. Wir klettern hoch in die bewaldeten Hügel, stoßen auf den Weg, der ins Freie führt. Ich kann Cals Haus sehen. Und unseres. Die kleineren auf der anderen Seite der Stadt. Nicht weit vom Gipfel entfernt laufen wir eine Schotterstraße entlang, die die Einheimischen benutzen. Ein paar Autos überholen uns.
    Ich bin aufgewärmt. Führe ihn runter, näher ans Wasser. Einen felsigen Pfad am Ufer entlang. Er hält sich dicht hinter mir. Das Ufer ist vereist, aber ich trampele etwas langsamer und plattfüßig über die Felsen, damit ich nicht ausrutsche. Sieht bescheuert aus, aber ich beherrsche diesen Stil perfekt und falle nie. Ich schau ihn nicht an, die Genugtuung gönne ich ihm nicht, aber ich wüsste gern, ob er zu eitel ist, wie eine Ente zu laufen. Vielleicht fällt er ja ins Wasser. Ikarus und seine Wachsflügel. Diese Vorstellung amüsiert mich. Dann verfluche ich ihn, weil er es schafft, sich in meinem Bewusstsein breitzumachen, auch wenn wir nicht reden.
    Ich wollte wirklich nur hier raus und mich wieder einkriegen. Allein.
    Endlich wird er langsamer und fällt ein bisschen zurück, sodass ich seinen Atem nicht mehr im Nacken spüre. Dann, wie ein Film in meinem Kopf, läuft eine schreckliche Szene ab, eine, in der ich stehen bleibe, er mich einholt und ich seinen Atem im Nacken spüre, dann lasse ich mich einen irrsinnigen Moment lang von ihm runterziehen, unsere Beine verschlingen sich heiß miteinander, noch zittrig vom Laufen.
    Nur denkt er sich das nicht aus, sondern ich. Ich schere scharf nach links aus, falle einen ekelhaft spitzen Felsen runter, schürfe mir das Bein durch die Hosen hindurch auf.
    »Himmel …«, ruft er, kommt hinterher, lacht beinahe. Dann ein bisschen Gestolper, vermutlich hat er den Halt verloren.
    Ich guck mich nicht um. Das hat er davon, er wollte ja mit mir laufen.
    »He, Wells, du blutest«, sagt er.
    »Klappe.«
    Aber ich schau schnell runter zu meinem Knöchel, und er hat recht. Eine leuchtende Schuldspur.
    Ich dreh mich um und laufe die steilste Steigung hoch, die ich finden kann, zurück in die Wälder. Meine Schenkel brennen. Ist mir egal. Ich senge einen neuen Pfad in den tiefen, harten Schnee. Meine Füße hämmern laute Löcher durch die unberührte Kruste. Eisstückchen füllen meine Schuhe. Ich hätte ihm die Führung überlassen sollen. Wahrscheinlich läuft er in meinen Fußspuren.
    »Du bist knallhart«, ruft er schließlich. Vielleicht will er mich nur ärgern. Wahrscheinlich beides. Glaubt er, ich mach das, weil ich mit ihm flirten will? Er scheint ein bisschen näher gekommen zu sein.
    »Kehr doch um, wenn du willst«, sage ich.
    Bitte. Kehr um und lass mich verdammt noch mal allein. Raus aus meinem Kopf! Ich will nur Zeit. Zum Laufen. Zum Leeren.
    Er hat keinen Schimmer. Lacht.
    »Mir fehlt nichts«, sagt er. »Ich amüsier mich

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