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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Bewohner.«
    »Und du kannst Roger nicht einen fremden Mann nennen. Du kennst ihn seit fast drei Jahren.«
    »Ich bin aber noch nie mit ihm verheiratet gewesen.«
    »Du liebst ihn.«
    »Natürlich liebe ich ihn. Ich liebe ihn zärtlich. Ich bin nach jeder kleinen Sommersprosse an ihm verrückt.«
    »Dann brauchst du dir auch keine Kopfschmerzen zu machen«, sagte ich. »Sei nicht nervös und warte ab, wie alles kommt. Du kannst sicher sein, daß es gut ausgeht.«
    »Ich mache mir auch keine richtigen Sorgen«, sagte sie und runzelte die Stirn.
    »Das ist gut«, sagte ich.
    Es war einfach ein Mutter-und-Tochter-Geschwätz von der Art, wie es morgens vor sieben vorkommt. Ich goß mir die vierte Tasse Kaffee ein und setzte mich auf die Fensterbank. Sie beobachtete mich und tat dabei ziemlich komisch, als ob sie mich nicht beobachtete. Sie war so groß und so anmutig, so schnell und munter und voller Leben, daß mir das Herz warm wurde.
    »Wirklich und wahrhaftig«, sagte sie. »Ich mache mir nicht die geringsten Sorgen.« Sie verzog den Mund und legte die Hände auf den Rücken. »Ich bin nur neugierig.«
    Jetzt wußte ich, was kommen würde. Ich schwieg, weil ich ihr das Stichwort nicht geben wollte.
    »Ich bin nur neugierig«, wiederholte sie. »Glaubst du, daß ich zur Hochzeit einen Brief von meinem Vater bekommen werde?«
    »Eine ungereimte Frage, Jessica — woher soll ich das wissen?!«
    »Ich möchte nur wissen, was du glaubst, Mutter.«
    »Liebling, du weißt so gut wie ich, daß du nicht damit rechnen kannst, von ihm etwas zu hören. Wir haben nicht einmal eine Ahnung, wo er steckt — er kann in Tibet oder Timbuktu sein. Sehr wahrscheinlich hat er nicht einmal die Nachricht erhalten, daß du heiratest.«
    »Aber du hast ihm geschrieben!«
    »Das will gar nichts sagen.«
    »Und Jim hat ihm vorige Woche telegraphiert.«
    »Begreife doch, Liebes: er rast immerzu von einem Ort zum anderen. Er hat keine feste Adresse wie wir oder Roger oder jeder andere vernünftige Mensch. Vielleicht erreicht das Telegramm ihn erst in einem halben Jahr.«
    »Wahrscheinlich«, sagte sie.
    »Willst du mal auf dem Tisch nachsehen«, sagte ich, »da muß eine Liste mit den Einkäufen für heute liegen — Jessica!«
    »Ja, Mutter?«
    »Du hörst mir gar nicht zu!«
    »Ich habe nachgedacht«, sagte sie. »Vielleicht ist bei der Post heute ein Brief oder wenigstens eine Karte.«
    Darauf konnte ich nicht antworten, konnte nicht sagen: Sei vernünftig. Dein Vater ist ein Monstrum. Ja — er ist attraktiv; ja — er ist romantisch; aber du bedeutest ihm nichts, er hat dich völlig vergessen, hat keinerlei Interesse an deinem Dasein. Er lebt nur für den Augenblick, und dein Augenblick mit ihm ist seit neunzehn Jahren vorbei. Er ist auf und davon gegangen, um andere, neue Erlebnisse zu sammeln. — Sie hatte keine Erinnerung an den Mann, der ihr Vater war; er war nur ein Name für sie und eine Legende. Aber ohne einen Grund zu haben, liebte sie ihn, und man darf keine Säure auf Liebe schütten.
    Im Grunde war sie ein vernünftiges junges Menschenkind, trotz aller Träume und Sehnsüchte, die ihr durch den Kopf schwirrten, und nach ein paar Minuten hörte sie auf, über Pogo Poole zu seufzen, und setzte sich neben mich, um die Einkaufsliste mit mir durchzusehen. «
    Um sieben Uhr fünfzehn kam Jim nach unten, rasiert, geduscht und fertig angezogen. Wie meist um diese Zeit, sah er ein bißchen mitgenommen aus. Ich habe ihn im Verdacht, daß er gegen zwei Uhr nachts davon träumt, irgendein gefährlicher Herrscher des Dschungels zu sein, ein Rhinozeros wahrscheinlich, und im Unterholz seine Feinde angreift. Gegen fünf scheint er sich dann in einen Adler zu verwandeln und hoch in den Lüften zu schweben und ist von soviel Aktivität beim Aufwachen erschöpft und zerschlagen. Es dauert immer eine kleine Weile, bis er ganz und gar in die Wirklichkeit zurückgefunden hat, doch selbst in dieser Periode ist er gutmütig. Es macht manchmal Schwierigkeiten, ihm in dieser Stimmung nahezukommen, aber nie ist er grob oder gemein. Der Himmel bewahre mich vor Männern, die morgens gemein sind!
    Wir frühstückten zusammen, und ich versuchte so taktvoll wie möglich, ihn an gewisse Verpflichtungen zu erinnern. »Jim, du hast doch mit Mr. Rousseau über den Champagner gesprochen?«
    »Champagner?«
    »Für die Hochzeit, Liebster.«
    »Die Hochzeit?«
    »Ich heirate am Sonnabend, wenn du das nicht wissen solltest«, sagte Jessica und lachte ihn aus.
    »Oh,

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