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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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auszusehen. Ich verstand sie und hätte mit ihr weinen mögen, sagte jedoch scharf wie ein Feldwebel: »Jessica, sieh alle Geschenke nach und schreibe sie in dein Buch.«
    »Was in aller Welt ist das?« fragte sie und blickte auf ein großes Paket, das in ziemlich schmutzigen weißen Stoff eingewickelt und mit Bindfaden verschnürt war. Es stand auf einem kleinen Tisch und wirkte fast düster gegen die aufgeputzte Verpackung der anderen Pakete. Hat das mich so beunruhigt? dachte ich und sagte: »Keine Ahnung. Mach es auf und sieh nach.«
    Jim trat zu ihr, schnüffelte und sagte: »Hm«.
    »Glaubst du, daß es ein Käse ist?« fragte sie.
    Er schnüffelte abermals. »Nein. Meiner Meinung nach ist es ein Gummibaum.«
    »Wunderbar!« rief sie. »Einen Gummibaum habe ich mir immer gewünscht.«
    »Es kann auch ein japanischer Zwergbaum sein.«
    »Ich habe gerade geträumt, daß ich einen hätte.«
    So hätten sie es noch stundenlang treiben können. Deshalb sagte ich: »Wenn du die Sachen nicht aufschreibst, Jessica, kommt uns alles durcheinander.«
    »O. K.«, sagte sie. »Aber sieh dir nur diese vielen Cocktailshaker an. Warum halten alle unsere Bekannten mich für eine Alkoholikerin?«
    »Nichts gegen Cocktailshaker!« sagte Jim. »Sie sind sehr nützlich.«
    »Ich beklage mich nur über den Mangel an Phantasie!« rief sie. »Warum schenkt mir keiner einen Steinway-Flügel? Oder Tebaldi-Platten? Oder ein Paar Kristall-Leuchter, die Liberace gehört haben?«
    »Jessica!« sagte ich.
    Sie lächelte mir zu wie ein Kobold, nahm so viele Pakete, wie sie fassen konnte, und schwankte damit ins Nebenzimmer.
    »Ein Steinway-Flügel«, sagte Jim nachdenklich. »Sie ist verrückt darauf, nicht wahr? Glaubst du, daß sie sich mehr freuen würde, wenn ich ihr statt des Nerzcapes einen Steinway geschenkt hätte?«
    »Darling«, sagte ich, »auf der Hochzeitsreise kann sie keinen Steinway tragen!«
    »Sehr richtig, aber...«
    Jessica kam geschäftig herein, um mehr Pakete zu holen. Jim sagte: »Keine Überstürzung!«
    Sie lachte: »Sehe ich aus, als ob ich mich überstürze?«
    Sie nahm eine neue Ladung von Cocktailshakern und Salatschüsseln und ging hinaus, selbstsicher und kühl, und plötzlich bekam ich Angst. Zum erstenmal wurde mir etwas klar: ihre überlegene, sachliche, nüchterne Haltung der Hochzeit und Ehe gegenüber, beinahe Gleichgültigkeit, als ob man in einem bestimmten Alter ebenso automatisch Frau wird wie wahlberechtigt. Wie lange war es her, daß Bräute in einer Art mühsam beherrschter Ekstase auf die Hochzeit warteten? So kannte ich es aus meiner Jugend, und dieser Gedanke quälte mich um so mehr, als Jessica im Grunde ihres Herzens übersensibel war. Ich konnte mir nicht erklären, weshalb sie so tat, als ob sie Roger nur als Partner für ein Tennisturnier gewählt habe.
    »Ach, Jim, mir geht ein sehr abgedroschener Gedanke durch den Kopf: ich verstehe die Mädchen von heute nicht mehr.«
    Er lachte. »Nein? Weshalb nicht? Denkst du, ein Mädchen müßte sich benehmen, wie ihre Mutter sich mit zwanzig Jahren benommen hat, als sie verliebt war und vor der Hochzeit stand?«
    »Vielleicht.«
    »Erzähle mir«, sagte er spottend, »wie war dir als Jungfrau zumute, als du dein Brautbett vor dir sahst?«
    Ah — wie? In Julia Hartsdales Haus, als ich auf Pogos Rückkehr von Paris wartete und vor Suffolk-Kälte ebenso wie vor Angst zitterte, daß er womöglich gar nicht zurückkäme... Aber Jim hatte erreicht, was er wollte. »Ich war kalt wie eine Hundeschnauze!«
    Er lachte. »Na also! Und wie denkst du jetzt über einen Schnaps?«
    »Ja, bitte. Gern.«
    »Martini?«
    »Fein!«
    Er war fast aus dem Zimmer, als das Telefon läutete. Ich nahm den Hörer ab, und eine gezierte Stimme sagte: »Hier spricht Mr. Rousseau. Kann ich, bitte, mit Mr. Dougherty sprechen?«
    Jim nahm den Hörer. »Hallo, Mr. Rousseau«, sagte er freundlich. »Ah ja — wegen des Champagners für Sonnabend... Ja... Ja... Was ist das?« Seine Stimme wurde scharf, und sein Schnurrbart sträubte sich. »Was müssen Sie als Luftfracht von New York kommen lassen?« Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Was? Was?«
    Ich sagte: »Jim...«
    Er fuhr wild zu mir herum. »Hast du fünfzehn Kisten Champagner zu hundertfünfzig Dollar die Kiste bestellt?«
    »Bist du verrückt geworden?«
    Er brüllte ins Telefon: »Nein! Absolut nicht! Kein Mensch hat das bestellt! Wer hat Ihnen gesagt, Sie sollten das Zeug besorgen? Das muß ein Mißverständnis

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