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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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sagte er vorwurfsvoll.
    »Ich meine es wirklich!«
    »Aber, Kate — denk daran, wie es aussehen würde. Wir müssen Rücksicht auf unsere Tochter nehmen.«
    »Wir!« sagte ich. »Wir müssen Rücksicht auf unsere Tochter nehmen!«
    Er zog eine Augenbraue hoch — ein alter Trick von ihm, ein alter und gerissener Trick. Es sollte andeuten, daß meine Handlung ihm unverständlich sei (obwohl er sich Mühe gebe, sie zu verstehen). Er konnte nicht begreifen, wie ich so unvernünftig und dickköpfig sein konnte (mein liebenswürdiger, sympathischer Charakter mußte sich im Lauf der Jahre verändert haben). Ruhig sagte er: »Sie ist unsere Tochter.«
    Er hatte sein Ziel erreicht und die erste Runde gewonnen; er hatte sich hier niedergelassen, und es war unmöglich, ihn wieder loszuwerden. Ich fragte ohne Interesse: »Hat Toy dich gut untergebracht?«
    »Wundervoll! Ein herrliches Zimmer! Eine herrliche Aussicht — fabelhaft!«
    »Nach der Green Street?« fragte ich. »Mich wundert, daß du dir kein Zimmer gesichert hast, das auf die Bay hinausgeht!«
    Er lächelte liebenswürdig zu dieser Stichelei und fing an im Zimmer umherzugehen. Ich beobachtete ihn, ohne in meiner Wachsamkeit nachzulassen. Ich hätte wissen mögen, was in diesem brillanten Kopf vorging, was er als nächstes unternehmen würde. Er war zu allem fähig.
    Er sah sich meine Bilder an, meine Pflanzen, die Möbel. Seinen Blicken entging nichts, selbst kein Fleck, den Toy in den verstecktesten Ecken übersehen haben mochte. Ich kannte dieses Vorgehen: er verglich mich prüfend mit meiner Umgebung, mit dem, was ich besaß, und schloß daraus, wie es mir ging und was aus mir geworden war. Schließlich sagte er mit warmem Lächeln anerkennend: »Ein tolles Haus, Kate! Ist es sehr alt?«
    »Nach dem Maßstab von San Franzisko — ja. Jims Vater hat es um 1880 gebaut. Nach europäischen Ansichten heißt das natürlich nur soviel wie gestern. Aber ich freue mich darüber, daß es dir gefällt. Ich liebe es. Mehr als alles, was ich sonst je gehabt habe.«
    »Du hast dich eingelebt?«
    »Bis tief in die Balken! Ich bin ein Teil davon geworden. Es ist sicher und beständig und wird es bleiben...«
    »Für die Doughertys«, sagte er sanft.
    »Ich bin eine Dougherty.«
    Einen Augenblick lang zögerte er nach dieser Erklärung. Gewiß hatte er nicht damit gerechnet, mich so wiederzufinden, sicher und vollkommen fest in meinem Lebenskreis. Wahrscheinlich war er in dem Glauben gekommen, ich würde ihm nach kurzem damenhaftem Zögern in die Arme oder jammernd zu Füßen fallen.
    Er holte Luft und sagte: »Und Jessica?«
    »Noch führt sie deinen Namen — bis Sonnabend. Dann heißt sie Henderson.«
    Er blickte aus dem Fenster über die Bucht.
    »Ich werde sie herunterrufen«, sagte ich.
    »Nein!« widersprach er schnell. »Noch nicht.« Plötzlich war er nervös und lief wieder im Zimmer umher. Aber jetzt beschäftigte ihn etwas anderes als Möbel oder Pflanzen, etwas für ihn ungeheuer Wichtiges. Er sagte: »Vielleicht irre ich mich, aber sie scheint sehr nach mir zu schlagen. Nach ihren Briefen, meine ich.«
    »Ja. Sie ähnelt dir in vielem.«
    Eifrig sah er mich an. »Wirklich?«
    »Sie hat deinen ganzen Charme...«
    Er lächelte.
    »... und deine Musik-Begabung. Und sie sieht wie du aus — oder, vielleicht besser, wie deine Mutter.«
    Er freute sich.
    Mütterlicher Stolz ergriff mich. »Sie ist sehr schön. Immer galt sie als das hübscheste Mädchen ihrer Klasse. Sie ist intelligent und empfindsam — zu empfindsam vielleicht. Sie hat Gedichte geschrieben und macht es, glaube ich, heute noch.«
    »Aha!« Er versuchte, seine Genugtuung nicht merken zu lassen. »Und was hat sie von dir?«
    »Oh«, sagte ich, »sie stößt sich ungeschickt an den Möbeln.«
    Er lachte, und einen Augenblick lang standen nicht mehr all die Jahre zwischen uns. »Jetzt bist du eher so wie damals«, sagte er. »Erzähl mir mal, wie Dougherty ist.«
    »Warte, bis du ihn kennenlernst, und urteile selbst.«
    »Nein, nein. Ich möchte lieber darauf vorbereitet sein. Ist er der Mann-zu-Mann-Typ, der einen gleich auf die Schulter klopft, oder zurückhaltend?«
    »Er wird dir schon gefallen.«
    »Du gehst meiner Frage aus dem Wege.«
    Ich mußte vorsichtig sein. »Er ist in deinem Alter (eine Augenbraue ging hoch) ; er ist Bankier (der Schatten eines spöttischen Lächelns); sehr geachtet überall (das Lächeln wurde deutlicher); Präsident der Hafen-Kommission (beide Augenbrauen gingen hoch); hat

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