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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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hast du das noch nie gesagt!«
    »Bisher hast du mich auch noch nie danach gefragt.«
    Er sog an seiner Zigarre und strich dann heftig über seinen Schnurrbart. »Früher war ich streitlustig — mit dem Alter bin ich ruhiger geworden. Jetzt warte ich, bis ich gefragt werde.«
    Jim sagte ernst: »Roger ist ein guter Junge.«
    »Kein Zweifel. Er geht mich nichts an. Aber ich habe eine Enkelin voller Witz und Intelligenz und sprühender Lebenslust. Sie entzückt mich immer wieder durch ihren Wissensdrang. Sie will das ganze Leben erforschen und kennenlernen — wie kann sie das, wenn sie so früh durch die Ehe gefesselt wird?!«
    »Was meinst du mit so früh? Sie ist einundzwanzig; als ich geheiratet habe, war ich ebenso alt.«
    »Und was ist dabei herausgekommen?«
    Diese Bemerkung hatte ich herausgefordert — ich konnte nichts dagegen sagen. »Aber ich kenne Roger«, versetzte ich. »Er wird sie wenigstens anständig behandeln!«
    »Weshalb muß man sie überhaupt schon einem Mann geben?« fragte mein Vater. »Damit er sie behandelt? Sie hat noch nicht einmal angefangen, sich selbst zu behandeln! Kaum angefangen, das wirkliche Leben kennenzulernen! Bist du wirklich mit dieser Heirat einverstanden, Katherine?«
    »Ganz gewiß!«
    »Und du, Jim?«
    »Ich bin nur ihr Stiefvater«, begann Jim kläglich und suchte meinen Blick. Hastig fuhr er dann fort: »Aber natürlich bin ich einverstanden! Ganz sicher!«
    »Ich will dich von der Abstimmung ausschließen, wenn es dir lieber ist«, sagte mein Vater.
    »Das brauchst du nicht«, sagte ich. »Jim und ich sind der gleichen Ansicht über diese Heirat.«
    Mein Vater sah mich patriarchalisch überlegen an. »Meine liebe Katherine, darum geht es nicht. Wir haben dieses Kind aufgezogen; von mir ist sie verhätschelt worden — ich habe sie die überflüssigen und nutzlosen Dinge gelehrt. Du bist praktischer; du hast sie so erzogen, daß sie sich in deiner Gesellschafts- und Party-Welt richtig zu benehmen weiß, mit dem Erfolg, daß sie jetzt die Frau eines wohlhabenden Rindvieh-Züchters werden soll.«
    »Hör mal, Vater«, entgegnete ich, »die Sache ist einfach die, daß Jessica sich verliebt hat. So etwas kommt jeden Tag vor. Junge Männer und Mädchen verlieben und verloben sich, heiraten und leben (wenn Gott will) glücklich und zufrieden.«
    »Schiebe die Verantwortung nicht auf Gott!« sagte mein Vater. »Er hat nichts damit zu tun.«
    »Glaubst du nicht, daß Ehen im Himmel geschlossen werden?« fragte Jim.
    »Wir wissen nicht, was sie im Himmel tun. Aber was sie nicht tun, ist berichtet worden: sie heiraten weder, noch spielen sie Brautvater.«
    Diese Bemerkung kam mir bekannt vor. »Wer hat das gesagt?« fragte ich.
    »Ich!« versetzte mein Vater würdevoll.
    »Das glaube ich nicht.«
    »Also gut — Jonathan Swift.«
    »Genug davon«, sagte ich. »Willst du Jessica also durch die Kirche führen?«
    Er sah Jim an. Er sah mich an. Er sagte: »Ja.«
    »Ich danke dir, Vater. Das ist alles, was ich wissen wollte.«
    »Aber ich warne dich!« sagte er. »Wenn der Pfarrer fragt: Wer gibt diese Frau dem Mann?, und jeder sich zu mir umdreht, dann sage ich vielleicht: Ich nicht!«
    »Darauf müssen wir es ankommen lassen.«
    Er wandte sich zu Jim und hob sein Glas: »Ist es zuviel verlangt...«
    »Ein bißchen mehr von dem alten Bourbon?« sagte Jim.
    »Sehr freundlich!«
    »Vater«, fragte ich, »bist du gegen jede Heirat oder nur gegen diese?«
    »Nicht gegen jede.«
    »Du hast mit Mutter nicht sehr glücklich gelebt, nicht wahr?«
    Sanft erwiderte er: »Deine Mutter war eine Heilige, die aus unserem Heim ein Vorzimmer des Himmels gemacht hat. Deshalb habe ich soviel Zeit in Bars zugebracht.«
    Er folgte Jim ins Nebenzimmer, und ich blieb, in Nachdenken versunken, allein. Er meinte es gut, und manches von dem, was er gesagt hatte, ging mir jetzt durch den Kopf. War Jessica zu jung zum Heiraten? Meine Güte — nein! Einundzwanzig ist jung, aber nicht zu jung. Hatte ich sie wirklich nur zur Ehefrau eines reichen Viehzüchters erzogen? Nein! Sie war vollkommen zu Hause in Musik, Literatur und französischer Malerei; sie kannte die griechischen Dramen ebenso gut wie die modernen; sie konnte ihren Sportwagen fahren. Schwerlich die Vorbildung, die man braucht, um eine große Ranch im Sonoma-County zu leiten. Würde diese Ehe sie in Fessel legen, sie vieler Freuden berauben? Nein, dachte ich, natürlich nicht! Sie würde ihr höchstens eine neue Art Leben schenken und...
    Und dann

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