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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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noch genau, daß du nie nach mir geschlagen hast, ohne mir hinterher einen Kuß zu geben.«
    Ich konnte nicht nein sagen. Ich hatte ihn geliebt, als wir beide jung waren. Ohne Leidenschaft, doch voll wirklicher Zuneigung, gab ich ihm einen Kuß — weil er Pogo Poole und so nett zu mir war.
    Dann wurde mir bewußt, daß Jim meinen Namen rief, und gleichzeitig gab es einen donnernden Krach, als ob das Dach eingestürzt wäre.
    Einen verrückten Augenblick lang dachte ich, Pogo habe seine Technik in all diesen Jahren derart entwickelt, daß selbst ein unschuldiger kleiner Kuß den Eindruck eines kleinen Erdbebens hervorrief. Aber es mußte doch etwas anderes sein, und ich versuchte, mich von ihm frei zu machen. Es kostete einen richtigen Kampf, weil Pogo, das Scheusal, mich selig festhielt, als ob er nichts gehört habe.
    Als ich schließlich frei war und mich umdrehte, sah ich ein schreckliches Bild vor mir. Jim lag auf dem Fußboden neben der Treppe und stöhnte. Jessica stand in der Küchentür, in einer Hand ein Glas Milch, in der anderen ein Stück Kuchen, und die Augen schienen ihr aus dem Kopf zu fallen. Sie mußte gesehen haben, wie ich in ihres Vaters Armen lag.
    »Jim!« kreischte ich.
    Er fluchte mächtig.
    »Was ist passiert?«
    »Ich bin die verdammte Treppe heruntergefallen —das ist passiert.«
    »Oh, mein Gott!« sagte ich.
    »Du lieber Himmel!« sagte Pogo und wischte sich meinen Lippenstift vom Mund.
    »Hast du dich verletzt?« fragte ich.
    »Ob ich mich verletzt habe!« brüllte Jim. »Jeden verfluchten Zeh habe ich mir gebrochen!«
    Atemlos stürzte ich zu ihm und kniete nieder. »Laß mal sehen!«
    Er stieß einen Schrei aus, der vermutlich in Britisch-Kolumbia gehört wurde. »Faß sie nicht an!«
    Streng sagte ich: »Was, um alles in der Welt, hast du auf der Treppe getan?!« Wenn ich irgendwie unsicher bin, greife ich auf jeden Fall erst mal an.
    »Was ich getan habe?« Zu schlimm konnten seine Verletzungen nicht sein — er brüllte wie ein Gorilla. »Ich bin heruntergekommen, weil ich sehen wollte, was ihr tut!«
    Ich sagte fest: »Wir haben nichts getan!«
    »Den Teufel habt ihr nicht!« Er stieß abermals einen Schrei aus, als ich vorsichtig seine Zehen untersuchte. »Au! Hör auf! Du brichst sie ab!«
    »Sie sind nicht gebrochen!« sagte ich gebieterisch. »Du hast sie nur angestoßen.«
    »Laß mich zufrieden!«
    Ich drehte mich zu Jessica um, die immer noch verdutzt dastand. »Jessica, geh und hole Jim ein Glas Kognak. Er hat einen schlimmen Schock gehabt.«
    »Ja, Mutter!« Sie lief hinaus.
    »Einen schlimmen Schock habe ich wahrhaftig gehabt!« sagte Jim. »Wahrscheinlich habe ich mir auch das Rückgrat gebrochen.« Er mühte sich ab, auf die Füße zu kommen, schob aber meine Hand, mit der ich ihm helfen wollte, weg.
    Pogo sagte sanft: »Wir haben gerade über alte Zeiten gesprochen.«
    »Als ich hinuntersah«, knurrte Jim, »hat keiner ein Wort gesagt!« Er fing an, auf Pogo zuzugehen, zuckte aber beim ersten Schritt vor Schmerz zusammen. »Au, au, au!« jammerte er und trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Keine Bewegung, alter Junge!« sagte Pogo. »Ich hole Ihnen einen Stuhl.«
    »Nein!«
    Ich sagte: »Jim, es war völlig harmlos.«
    »Völlig, völlig harmlos«, führte Pogo das Thema fort. Er griff nach seinem Glas und hielt es Jim hin. »Trinken Sie erst mal einen Schluck davon.«
    »Ich brauche Ihren Schnaps nicht!« fuhr Jim ihn an.
    Pogo lächelte. »Es ist Ihrer!«
    »Wie höflich!« sagte Jim grimmig. »Wie schrecklich weltmännisch! Ein Mann stellt im Haus ihres jetzigen Mannes seiner früheren Frau nach, und wenn er dabei erwischt wird, sagt er: Kann ich Ihnen etwas zu trinken geben?«
    Jessica erschien mit einem Glas Kognak. Sie gab es Jim und starrte ihn dabei ängstlich an.
    Jim goß den Kognak hinunter, hustete und sagte säuerlich zu Pogo: »Wir sprechen uns morgen früh.« Er humpelte die Treppe hinauf.
    Ich rief: »Jessica, ich wünsche, daß du sofort zu Bett gehst!«
    »Ja, Mutter!«
    Ich lief Jim nach und erreichte ihn vor der Tür des Blauen Zimmers. Er sah mich an, als ob ich frisch aus einem Marseiller Bordell gekommen wäre. »Liebling«, sagte ich, aber er wollte nichts von mir wissen. »Mit dir spreche ich auch morgen früh«, knurrte er, trat in das Zimmer, das Tom Dewey so gut gefallen hatte, und schlug die Tür hinter sich zu.
    Da stand ich nun, von meinem jetzigen Mann zurückgestoßen, für meinen früheren die Zielscheibe seines Spottes, und

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