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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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wußte, daß ich in dieser Nacht keinen Schlaf finden würde, und wenn Engel mir ein Schlummerlied sängen. Unten hörte ich Stimmengemurmel, ging zum Geländer und sah hinunter. Es war gemein und verächtlich, so zu lauschen, aber es stand zuviel auf dem Spiel — ich mußte Beelzebub Poole bewachen!
    Jessica hatte ihm ein Stück Kuchen gebracht, und er aß es zufrieden. Sie stand dabei und hielt ihr albernes Glas Milch in der Hand.
    Sie flüsterte: »Du hast Mutter nachgestellt?«
    »Nur ein bißchen.« Selbstzufrieden fügte er hinzu: »Es war grausam von mir.«
    »Weshalb hast du es denn getan?«
    »Ich habe es nur mal probieren wollen.« Er leckte sich die Lippen — wahrscheinlich wegen des Kuchens. »Mmm. Gut!«
    »Jim sah furchtbar wütend aus.«
    »Seine eigne Schuld! Weshalb mußte er in diesem Augenblick kommen?!«
    Jessica kicherte. »Du bist wirklich unmoralisch!«
    »Weil ich meiner früheren Frau den Hof mache?« sagte Pogo überrascht. »Ich wäre ein Tölpel, wenn ich’s nicht täte. Hat deine Mutter diesen Kuchen gebacken?«
    »Nein. Toy.«
    Nachdenklich sagte Pogo: »Toy — ich möchte wissen, ob reisen ihm Spaß machen würde.«
    »Mit dir?« fragte Jessica. »Keine Aussicht! Wenn du ihnen Toy wegnehmen wolltest, würde Mutter dir die Haare ausreißen und Vater dich über den Haufen schießen.«
    »Die Leute sollten nicht so egoistisch sein!« sagte Pogo.
    Jessica fragte sachlich: »Wenn Mutter sich darauf eingelassen hätte — hättest du sie dann verführt?«
    »Nun«, sagte Pogo, »ich finde diese Frage höchst unmoralisch.«
    Ich fand sie auch höchst unmoralisch, konnte aber nichts dagegen tun. Ich war nur eine Lauscherin.
    Jessica beharrte: »Hättest du?«
    »Ja«, sagte Pogo, ohne zu zögern.
    Ich wünschte, ich hätte ein Blasrohr und Giftpfeile zur Hand gehabt und gelernt mit ihnen umzugehen!
    »Du würdest sie verführt haben?« fragte Jessica noch einmal, um ganz sicherzugehen.
    »Ja«, wiederholte Pogo. »Bist du sehr entsetzt darüber?«
    Sie überlegte kurz. »Nein. Interessiert.«
    Pogo kicherte. »Das ist meine Tochter! Wir sind von derselben Art! Aber ich würde es nicht noch mal versuchen.«
    »Weshalb nicht? Glaubst du, daß sie sehr erschrocken war?«
    »Das bezweifle ich. Sie hat nie dazu geneigt, leicht zu erschrecken. Ich war irrsinnig in deine Mutter verliebt.«
    »Ich weiß.«
    »Und jetzt bin ich irrsinnig in ihre Tochter verliebt.«
    »Das hoffe ich«, sagte sie strahlend und fragte dann: »Weil du Mutter in ihrer Jugend in mir siehst? Oder dich selbst?«
    Er versuchte, einer Antwort aus dem Wege zu gehen. »Kinder dürfen nicht zu neugierig sein«, sagte er.
    Er ging auf und ab und schwieg eine Weile, ehe er fortfuhr: »Du bist groß geworden. Es ist sonderbar: ich habe dich mir nie erwachsen vorstellen können. Selbst als ich erfuhr, daß du heiraten willst, sah ich dich vor mir, wie ich dich zuletzt gesehen hatte: ein pausbackiges kleines Ding. Wie auf dem John-Portrait. In all den Jahren, die dazwischenliegen, habe ich nicht viel an dich gedacht. Und jetzt quält mich Bedauern darüber. Nicht Gewissensbisse — Gewissensbisse liegen mir nicht — aber Bedauern. Du wirst es verstehen?«
    Sie nickte.
    »Bedauern«, sagte er, »wegen des vielen Schönen, das wir zusammen hätten erleben, das ich dir hätte zeigen können...«
    »Aber du hast es mir ja gezeigt!« sagte Jessica sanft.
    »Auf dem Umweg über Zeitungsausschnitte!«
    Sie versuchte, ihm in seinem väterlichen Kummer zu helfen. »Vielleicht war es besser so. Jetzt siehst du mich erwachsen, aber bis sechzehn war ich plump und ungeschickt und hätte nicht zu deinem Stil gepaßt.«
    Dieser Gedanke war ihm offenbar vorher nicht gekommen. Er sagte: »Hm...«. Dann fuhr er begeistert fort: »Ah! Aber jetzt! Jetzt bist du bereit für alles, was ich dir zeigen könnte! Da liegt im Ägäi-schen Meer zum Beispiel eine kleine, einsame Insel, auf der Rupert Brooke begraben worden ist. Das Grab liegt auf einer kleinen Lichtung, und der Weg, der vom Meer hinaufführt...« Er unterbrach sich verwirrt. »Habe ich dir das schon erzählt?«
    »Nein.«
    Erleichtert sagte er: »Ah, mein Liebling! Es gibt soviel zu sehen und zu tun! Aus der Bucht von Neapel durch die Straße von Messina segeln, zwischen Scylla und Charybdis hindurch, zu den griechischen Inseln, in den Golf von Korinth, wo das Wasser so unwirklich blau ist. Ein Freund von mir hat ein Boot, eine herrliche weiße Jacht, die ich sofort haben kann, wenn ich will.«

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