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In besten Kreisen

In besten Kreisen

Titel: In besten Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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herzliches Kompliment gemacht hat. Sie haben viele Schattenseiten, das sage ich Ihnen ganz ehrlich, und Ihre Unfähigkeit, Komplimente anzunehmen, ist eine davon. Außerdem sind Sie alles andere als ein Ausbund an Takt, ungeduldig mit Hohlköpfen und Wichtigtuern, und obwohl Sie größten Respekt für Manieren und Höflichkeit besitzen, haben Sie kein Gefühl für gute Sitten.« »Da wundere ich mich, daß Sie überhaupt an mich gedacht haben.« »Sie wissen, was Henry James einem jungen Bekannten schrieb, der gerade Edith Wharton kennengelernt hatte: ›Ach, mein lieber junger Mann‹, schrieb er, ›Sie haben sich mit Edith Wharton angefreundet? Ich gratuliere: Vielleicht werden Sie sie schwierig finden, aber niemals dumm und niemals gemein…‹« »Das ist nett, Grace. Aber wohl kaum Qualifikation genug für eine College-Präsidentin, die ich, nebenbei bemerkt, auf keinen Fall werden will. Haben Sie mich vorgeschlagen?« »Sie würden sich wundern, wenn Sie wüßten, wer Sie alles vorgeschlagen hat. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, wie knapp das Angebot geeigneter Frauen ist. Ich bin dieses Wochenende hier, um Sie auszuhorchen – und außerdem all meine Überredungskunst aufzubringen, weil ich es tatsächlich ernst meine.« »Danke. Ich werde versuchen, das Kompliment anzunehmen.
    Aber wissen Sie, wenn man mich nach einem Vorschlag für das Präsidentinnenamt fragte, dann würde ich Sie nennen. Sie wären die Beste, Grace.« »Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Und im Unterschied zu Ihnen nehme ich Komplimente mit größter Befriedigung und ohne jeden Anflug von Erröten entgegen. Aber heutzutage wünschen sich die Leute eine junge Präsidentin. Offen gesagt, ich weiß nicht, warum.
    Ich finde, College-Präsidenten sollten, ähnlich den Päpsten, alt sein, wenn man sie ernennt: Sie können sich dann leisten, Wagnisse einzugehen, und sie leben nicht mehr allzu lange und haben keine Zeit, in Routine zu erstarren. Aber das ist nicht die amerikanische Art. Sie haben mich gefragt, ob ich das Amt auf Zeit übernehmen wolle, aber ich habe abgelehnt. Keine Macht, aber alle Kopfschmerzen. Sagen Sie jetzt nichts mehr dazu. Vielleicht hätte ich nicht davon anfangen sollen, solange all die anderen Probleme über Ihnen schweben – aber ich wollte Ihnen mal einen anderen Knochen zum Nagen geben.« »Vielen Dank. Schlagen Sie mir vor zu heiraten, damit ich für den Job qualifiziert bin?« »Ich schlage gar nichts vor. Versuche nur, die Probleme anzudeuten. Aber bevor Sie nein sagen, Kate, denken Sie daran: Es ist eine Machtposition, und Macht gehört zu den besonderen Erfahrungen, die man machen sollte.« »Ich habe nie Macht gewollt.« »Das weiß ich. Genau deswegen sollten Sie annehmen, eher als jemand, den es immer nach ihr gedrängt hat. Gute Nacht, Professor Fansler.« Die Schwestern
     
    K ate hatte an dem Tag, als der Mord geschah, an Sam Lingerwells Tochter geschrieben, ihr von der Katastrophe berichtet und alle möglichen Fragen gestellt. Kate wußte nicht recht, ob sie sich nun entschuldigte oder um Hilfe flehte, aber nachdem sie den Brief viermal neu geschrieben hatte – wenige Anleitungen zum Briefeschreiben enthalten Beispiele dafür, wie man einen Mord berichtet –, hatte sie schließlich die fünfte Version abgeschickt, ohne sie noch einmal durchzulesen. Schwester Veronica hatte sofort geantwortet: »Liebe Kate, Ihr Brief hat mich traurig gemacht, denn es standen ja schreckliche Neuigkeiten darin. Mit welcher Sanftmut Sie die enorme Last geringschätzen, die Sie sich da aufgebürdet haben! Ich habe mir erlaubt, den Fall der Mutter Oberin gegenüber zu erwähnen, und sie hat zugestimmt, daß alle Schwestern ein besonderes Gebet für Sie sprechen. Ich hoffe, wir werden Sie mit unseren Gebeten nicht kränken: Ich weiß, daß mein Vater für so etwas nichts übrig hatte. Den armen Mr. Lenehan, der mit der schrecklichen Last fertig werden muß, das Gewehr abgefeuert zu haben, haben wir sowohl in unsere Gebete als auch in unsere Herzen aufgenommen.
    Ich selbst habe die allergrößten Schuldgefühle. Ich hätte Sie nicht darum bitten dürfen, solch eine große Verantwortung zu übernehmen. Wenn es jetzt irgend etwas geben sollte, bei dem ich Ihnen helfen kann, dann lassen Sie mich das bitte wissen. Sie werden gewiß verstehen, wie unmöglich es mir war, mich den Briefen meines Vaters zu widmen, zumal sie, nach den mir ständig aufgezwungenen Angeboten zu urteilen, für die Wissenschaft von einigem Nutzen sein dürften.

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