Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
Vom Netzwerk:
leere Beretta fallen. Du darfst dich nicht gehen lassen, reiß dich zusammen!
    Er war da, nebenan, sie war sich ganz sicher.
    Der Videofilm nahm kein Ende. Die Kamera schwenkte um hundertachtzig Grad und richtete sich auf den Spiegel. Er war so beschlagen, dass die filmende Person nicht zu erkennen war. Dann trat diese Person ein Stück nach links, so dass keine Hoffnung bestand, sie auch nur für einen kurzen Augenblick zu sehen, und der lederne Zeigefinger näherte sich dem Spiegel. Er glitt langsam darüber und begann, Buchstaben darauf zu malen, die sich nach und nach zu Worten formten, dann zu einem Satz.
    ICH MAG DIE HÖSCHEN IN DEINEM SCHRANK, SCHLAMPE!
    Die Bilder auf der Mattscheibe wurden gestört, bis sie ganz verschwanden.
    Annabel stand mit offenem Mund da. Sie ließ den Fernseher weiter laufen. Sie entfernte sich vom Bett, schlang das Tuch fest um sich und stützte sich an ihrem Schrank ab. Ihre feuchten Hände hinterließen Spuren auf den Türen. Mit einem Ruck zog sie die Schublade auf, in der sie ihre Slips aufbewahrte.
    Sie war leer. Man hatte ihr die ganze Unterwäsche gestohlen.
    Stattdessen ein weiterer Zettel.
    HÄTTEST NICHT AN MEINEM WAGGON RÜHREN DÜRFEN. SIE BEDANKEN SICH DAFÜR …
    Daneben dasselbe Foto wie das in dem Umschlag, der an Taylor Adams Brust geheftet gewesen war: Eine Familie, der das Grauen ins Gesicht geschrieben stand. Das jüngste der Kinder war rot markiert. Ganz hinten in der Schublade sah Annabel noch etwas anderes, etwas Kleines, Zylinderförmiges. Sie zog die Lade ganz auf. Zwei rundliche Fingerglieder rollten ins Licht. Die eines Kindes.

50
    Er hatte schnell erreicht, was er wollte.
    Wie immer.
    Danach hatte er das Wohnzimmer umgehend verlassen. Das kleine Geschenk, das er Annabel zugedacht hatte, steckte in seiner Tasche.
    Er fuhr auf direktem Weg in die Willow Street zur Wohnung von Detective O’Donnel. Ursprünglich hatte er sich hineinschleichen wollen, während sie schlief, doch als er auf der Treppe wartete, hörte er plötzlich das Summen des Boilers. In dem Haus gab es nur zwei Parteien, eine im Erdgeschoss und Annabel O’Donnel im ersten Stock. Das war perfekt, kein Risiko, überrascht zu werden. Er presste das Ohr an die Wand, dann an die Tür und hörte Wasser plätschern. Entgegen seinen Gewohnheiten hatte er das Schloss geöffnet, um einen kurzen Blick in die Wohnung zu werfen. Richtig, sie stand unter der Dusche. Plötzlich schien ihm seine geplante Inszenierung fade, eine wesentlich effektvollere kam ihm in den Sinn. Nicht beim Aufwachen würde Annabel O’Donnel eine Videokassette auf ihrem Kopfkissen vorfinden, die sie im Schlaf zeigte, während jemand über ihrem Gesicht obszöne Gesten machte, nein, sie würde damit einschlafen!
    Es hatte ihn viel Willenskraft gekostet, nicht länger zu bleiben, die Gesellschaft der jungen Frau nicht noch eine Weile zu genießen. Die Fingerglieder waren aus dem Plastikbeutel gekullert wie kleine Krabbenstäbchen. Dabei war ihm die Idee gekommen, eine Sammlung anzulegen. Es wäre sicher amüsant, einen ganzen Beutel mit menschlichen Fingern zu besitzen, und es musste ein ganz besonderes Vergnügen sein, hineinzugreifen. Ein bisschen wie Onkel Dagobert, wenn er in seinen Geldsäcken wühlte, nur weicher.
    Doch er hatte sie gleich wieder verworfen, er hatte ganz andere Pläne. Was er tun würde, überstieg jegliches Fassungsvermögen. Es war ein Kreis, der sich schloss. Er würde die gesamte Menschheit verändern.
    Kommende Generationen würden seinem Bildnis huldigen.

    Jetzt stand er auf der Fußgängerpromenade auf der Rückseite von Annabels Haus. Die Wohnung der jungen Frau führte hauptsächlich auf den Garten hinaus, der von den Bewohnern des Erdgeschosses benutzt wurde. Von seinem Standort aus konnte er die große Fensterfront ihres Wohnzimmers sehen.
    Bestimmt hatte sie die Kassette schon gefunden und war in Panik.
    Ihre Unterwäsche mitzunehmen war eine gute Idee gewesen. Das in Verbindung mit dem Wort »Schlampe« würde sie sicher aus dem Gleichgewicht bringen. Im Grunde waren ihm ihre Höschen völlig gleichgültig. Er interessierte sich für etwas ganz anderes.
    Er nahm einen Schatten in der Wohnung wahr. Im Wohnzimmer ging das Licht an. Sie war da. Nur mit einem langen Pullover bekleidet. Er war zwar etwas weit entfernt, aber durch den Zoom seines Camcorders konnte er deutlich das Zittern ihrer Hände erkennen. Es lebe die Technik.
    Er sah, wie sie mit einem Baseballschläger bewaffnet durch den Raum

Weitere Kostenlose Bücher