In Blut geschrieben
Licht der Sturmlampe, die vor ihm stand, hatte sein angedeutetes Lächeln fast etwas Heimtückisches.
Brolin musste die Nachricht erst einmal verdauen.
Er hatte diese Möglichkeit zwar schon öfter in Betracht gezogen, den Gedanken aber als zu abwegig verworfen.
Kannibalismus.
Bob verkaufte das Fleisch seiner Opfer an Perverse und Gestörte, die nach neuen Geschmackserlebnissen gierten. Mit einem Mal bekamen die wenigen Worte auf dem Stück Papier, das er in der Lagerhalle gefunden hatte, eine widerwärtige Bedeutung.
… mit Lucas … Verteilung und Bob oder Malicia Bents am Hof der Wunder … Kreis … Kenner.
Er sah, wie sich die Lücken von selbst füllten, sah, wie die Tintenkleckse feinere, präzisere Strukturen annahmen, um schließlich Worte zu bilden.
mit Lucas zur großen Verteilung und Bob oder Malicia Bents am Hof der Wunder für den geschlossenen Kreis der Kenner
Lucas Shapiro arbeitete im Schlachthof, er kaufte Fleisch, das er in seiner Garage zerlegte und in Plastik einschweißte, um es dann an Großmärkte zu liefern. Hatte er unter seinen Kunden auch Interessenten für Menschenfleisch?
Brolin schob diese Frage vorerst beiseite.
»Wissen Sie, wie dieser Bob wirklich heißt oder wie er aussieht?«
»An einem Ort wie diesem werden keine Telefonnummern ausgetauscht, mein Freund, und ich kann mir Gesichter nur sehr schlecht merken. Er ist ziemlich groß, etwas nervös und hat, glaube ich, braunes Haar. Ein absoluter Durchschnittstyp. He, warum wollen Sie das eigentlich alles wissen?«
Brolin schenkte ihm ein verbindliches Lächeln.
»Eine persönliche Angelegenheit, und das bedeutet, dass ich meine Quellen nicht preisgebe, vor allem nicht, wenn sie sich auszahlen.«
»Es scheint ja verdammt wichtig für Sie zu sein. Nun, ich weiß nicht viel über diesen Bob, aber interessiert es Sie, einen Blick auf seine Handschrift zu werfen?«
Bevor der Fälscher fortfahren konnte, hatte Brolin ihm schon weitere vierzig Dollar gereicht.
Zufrieden bückte sich der Mann, kramte unter seinem Tisch und zog eine Postkarte hervor.
»Die hat er mir mal dagelassen. Hier!«
Brolin nahm sie vorsichtig an sich. Es war eine sehr alte Karte, eine Schwarz-Weiß-Fotografie, die ein Städtchen darstellte mit einer Brücke, die über einen Fluss führte, und einem Karren darauf. Auf der Rückseite dieselbe Schrift wie auf der bei Spencer Lynch gefundenen Karte: »Hallo, Ed, ich muss früher weg als geplant. Wenn einer meiner Kunden kommt, sag ihm, dass ich nächsten Sonntag wieder hier bin. Danke. Bob«
Ed, der Fälscher, deutete mit dem Zeigefinger darauf.
»Er schreibt gern solche Postkarten«, erklärte er, »ich hab ihn schon oft dabei beobachtet. Scheint so was wie eine Visitenkarte zu sein. Er hat immer einige bei sich.«
»Wie viel für die Karte?«
Ed zuckte mit den Schultern und überlegte.
Brolin blätterte drei Zwanzig-Dollar-Scheine auf den Tisch, und der alte Mann schien zufrieden.
»Und diese Malicia Bents, hat Bob oft von ihr gesprochen?«, wollte der Privatdetektiv wissen.
Davon ausgehend, dass die Caliban-Sekte nur drei Mitglieder zählte – Spencer Lynch, Lucas Shapiro und Bob –, hatte er in Malicia Bents lediglich eine Gehilfin, ähnlich wie Janine Shapiro, gesehen. Doch jetzt riet ihm sein Instinkt, sich mehr für sie zu interessieren. Vielleicht hatte sie eine viel wichtigere Funktion, war vielleicht so etwas wie eine Mittelsperson. Zwischen was und wem?
»Nein, er sprach nicht oft von ihr. Eines Tages kam er zu mir und bat mich um falsche Papiere auf diesen Namen.«
Seine Augen funkelten schelmisch, als würde er nicht alles preisgeben und sich über das, was er für sich behielt, amüsieren.
»Und wissen Sie, wie diese Frau aussieht? Sie haben ja immerhin ein Foto von ihr gesehen, oder?«
Dieses Mal fand Ed die Situation derart erheiternd, dass sich sein Mund zu einem breiten Grinsen verzog.
Vertraulich neigte er sich zu Brolin und meinte: »Das ist es ja, diese Malicia ist keine Frau.«
»Wie bitte?«
»Malicia Bents ist ein Mann. Das konnte ich auf den Fotos, die Bob mir für die falschen Papiere brachte, genau erkennen. Es war ein als Frau geschminkter Mann, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
Brolin traute seinen Ohren nicht. Warum sich hinter dem Gesicht einer Frau verstecken? Um nicht erkannt zu werden? Um eine falsche Fährte zu legen?
»Oh, aber es kommt noch besser!«, rief der Fälscher begeistert.
Dann fügte er langsam, fast im Flüsterton hinzu: »Bobs
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