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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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ich Ihnen erzählt habe? Sie spielt eine sehr viel größere Rolle, als ich dachte. Man hält sie im Schatten wie eine Schimäre. Das heißt, sie ist eigentlich nur ein Köder.«
    »Wieso?«
    Thayer und Sheriff Murdoch runzelten die Stirn und sahen Annabel fragend an.
    »Malicia Bents ist keine Frau. Hinter ihr verbirgt sich ein Mann, der sich dieses falschen Namens bedient, um unsichtbar zu bleiben, damit niemand von seiner Existenz erfährt. Annabel, wo sind Sie?«
    »Bei Sheriff Murdoch in Phillipsburg, zusammen mit Jack Thayer. Was ist? So sagen Sie’s doch.«
    Brolin zögerte am anderen Ende der Leitung.
    »Ich habe mit einem Mann gesprochen, der Bob gesehen hat«, gestand er schließlich. »Ich war im Hof der Wunder.«
    Brolin erklärte ihr alles, ohne ins Detail zu gehen. Er erzählte vom Hof der Wunder, von Ed, dem Fälscher, der ihm »geholfen« hatte, und vor allem von dem, was Bob an diesem verfluchten Ort verkaufte.
    »Das ist nicht alles. Manchmal handelt Bob dort auch mit anderen Dingen als Menschenfleisch. Manchmal bittet man ihn auch um präzise Auskünfte, um heikle Informationen, Infos, über die nur ein Cop verfügen kann. Zum Beispiel über ein bestimmtes Strafregister, über laufende Ermittlungen und Ähnliches. Verstehen Sie, was das bedeutet? Ed, der Fälscher, von dem ich Ihnen erzählt habe, hat mir gesagt, dass er sich gelegentlich mit Bob unterhalten hat, und eines Tages hätte ihm Bob gestanden, dass der Kerl, der sich hinter Malicia Bents verbirgt, ein Polizist sei. Annabel, es gibt einen Polizeibeamten in dieser Bruderschaft des Todes, vielleicht jemand, dem Sie schon begegnet sind!«
    Annabel stand mit offenem Mund da, den Hörer noch immer ans Ohr gepresst.
    »Ich muss los, ich hab noch etwas zu überprüfen«, verkündete Brolin. »Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
    Ihre Gedanken kreisten so sehr um Malicia Bents, dass ihr zu spät einfiel, Brolin von der bevorstehenden Verhaftung Bobs in Kenntnis zu setzen. Er hatte schon aufgelegt.
    »Nun?«, fragte Thayer besorgt.
    »Es war Brolin«, stammelte Annabel.
    »Und wer ist Brolin?«, erkundigte sich Murdoch mit sanfter Stimme.
    »Ein Privatdetektiv, der uns zuarbeitet.«
    »Ah, verstehe, der war übrigens auch schon mal hier, hat mir Fragen zur Entführung der kleinen Rachel Faulet gestellt.«
    Annabel blinzelte und versuchte, sich zu konzentrieren.
    »Er sagt, die Caliban-Sekte würde nicht nur aus drei Mitgliedern bestehen. Es gäbe einen vierten Mann.«
    Sie nagte an der Unterlippe und fügte nach einem Zögern hinzu: »Er meint, es sei ein Cop.«
    »Ein Cop?«, wiederholte Thayer ungläubig. »Hat er Beweise, vielleicht einen Namen oder irgendwas?«
    »Nein, noch nicht.«
    Murdoch sah sie an, als hätten sie den Verstand verloren. Er schüttelte den Kopf, fand die Idee abwegig. Er stand auf, stellte die leeren Tassen auf ein Tablett und verschwand, noch immer kopfschüttelnd, in der Küche.
    Thayer begann auf und ab zu laufen.
    »Ich weiß, dass die Cops dieses Landes nicht alle Engel sind, aber findest du das Ganze nicht leicht übertrieben?«, fragte er. »Wie kommt er überhaupt darauf?«
    »Ich weiß es nicht. Doch ich vertraue ihm, Jack. Er wollte irgendwas überprüfen und hat versprochen, wieder anzurufen, wenn er gefunden hat, was er sucht.«
    Die junge Frau trat an die Fenstertür, die auf den Balkon führte. Draußen schneite es auf das kleine Wäldchen – unzählige graue Schatten vor schwarzem Hintergrund.
    »Ein Cop«, murmelte sie.
    Welche Rolle spielte er in der Organisation? Wer war er, was tat er? Alles deutet daraufhin, dass Bob der Meister ist … Er unterzeichnet, er ist derjenige, der alle Fäden in der Hand hat.
    Annabel hatte die Hände an die Scheibe gedrückt, und die Kälte durchströmte ihren Körper. Bei jedem Atemhauch beschlug das Glas, so dass die Landschaft dahinter verschwamm. Sie wich einen Schritt zurück. Jetzt spiegelte sich das ganze Zimmer in der Glasscheibe.
    Irgendetwas war verändert, hatte sich im Hintergrund bewegt.
    Jack war nicht mehr da.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie nur noch von Stille umgeben war.
    Kein Geräusch mehr im ganzen Haus, nur das hypnotische Ticktack auf dem Flur.
    Dann, wie von Zauberhand, erloschen die Lichter im Haus, auch die im Wohnzimmer.
    Und versetzten Annabel in die Welt der Blinden. Die Holzwände knarrten.

66
    Der Aufstieg hatte sich ähnlich vollzogen wie der Abstieg. Auf der ersten Hälfte des Weges hatte Enrique Brolin die Augen verbunden und ihn

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