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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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fürchte, Sie werden in Zukunft auf ihn verzichten müssen. Kurz bevor ich das Licht ausgeschaltet habe, kam er zu mir in die Küche, um nachzusehen, was ich machte. Sagen wir, er ist ins Fettnäpfchen getreten, das zufällig herumstand. Aber keine Sorge, er hat nicht gelitten.«
    Er gab ein trockenes, höhnisches Lachen von sich.
    Annabel nahm das Weinen einer Frau wahr, gedämpft, aus der Ferne, doch ein Irrtum war nicht möglich.
    »Wo sind wir?«, stieß sie hervor.
    »Ich habe es Ihnen doch gesagt: Bei mir.«
    »Was …?«
    Annabel dachte an all die Fotos der Entführten und Gefangenen und schloss die Augen.
    Dort war sie also. In seiner Höhle. Dort, wo er sie versteckt hielt, bevor er sie tötete.
    »Warum? Warum das alles?«
    »Warum?«, wiederholte die Stimme erstaunt. »Haben Sie denn gar nichts begriffen? Ich bitte Sie, Annabel … Sie sind unaufmerksam, Sie sehen nichts. Dabei hatte ich bei unserer ersten Begegnung noch geglaubt, Sie würden es herausfinden, Sie würden den Bezug selbst herstellen. Die Opfer, Annabel, sie sind der Schlüssel.«
    Caliban seufzte. Er war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, dieser Frau durch Schweigen Angst zu machen, und dem Drang, sein Genie zu offenbaren. Er fuhr fort, bemüht, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen.
    »Sie müssen die Sache anders betrachten, Annabel. Wenn Sie auf der Straße spazieren gehen, wenn Sie Ihre Einkäufe im Supermarkt machen, was sehen Sie dann? Oder in den Ferien am Strand. Was sehen Sie?
    Ich will es Ihnen sagen. Sie sehen die Masse von Menschen. Ganze Horden von Konsumenten. Diejenigen, die man als Menschen bezeichnet, die am Ende der Nahrungskette stehen, die Herren der Welt. Mal unter uns, finden Sie, dass diese Idioten in den Einkaufszentren sich gebärden, als wären sie die Herren der Welt? Wenn sie sich voll fressen und ihr ganzes Geld zum Fenster rauswerfen, das sie am nächsten Tag wieder verdienen müssen. Wenn sie als Schmarotzer auf dieser Erde überall ihre Abfälle hinterlassen.«
    Er steigerte sich so in seinen Zorn hinein, dass Annabel immer mehr in Panik geriet.
    »Nun, die Sache ist ganz einfach«, fuhr er fort. »Eines Tages spazierte ich durch diese Menge und beobachtete sie und fand sie zum Kotzen. Ich erbrach den Menschen, ich erbrach seine Dummheit, ich erbrach seinen Dünkel.«
    Annabel zog die Beine fest an die Brust. Angst breitete sich in ihrem Körper aus.
    »Damit Sie die Tragweite meiner Taten ermessen können, werde ich Ihnen etwas von mir erzählen – wenn Sie nichts dagegen haben …«
    Was blieb ihr anderes übrig? Zeit gewinnen, das war ihre einzige Hoffnung. Ihn zum Sprechen ermutigen. Murdoch war ein Einzelgänger, wahrscheinlich hatte er zum ersten Mal jemanden vor sich, der in der Lage war zu erfassen, von welchem Genie seine Verbrechen zeugten. Bisher hatte er nie die Gelegenheit gehabt, seine Freuden zu teilen, so makaber sie auch sein mochten.
    Murdoch atmete schwer. Doch seine Erzählung war flüssig, so als hätte er sie schon hundert Mal im Geiste wiederholt.
    »Schon als Kind hatte ich das starke Bedürfnis, Macht und Kontrolle auszuüben und respektiert zu werden. Und so fesselte ich andere Kinder an Bäume und wartete, bis sie mich anflehten, sie zu befreien. Irgendwann sah ich dann nichts als Unterwerfung in ihren Augen, und ich wusste, dass ich von ihnen verlangen konnte, was ich wollte. Wundert es Sie, dass ich unter diesen Umständen Cop geworden bin? Natürlich gab es gelegentlich Ausrutscher, ich habe mich etwas zu sehr erregt, und es kam zu kleinen Problemen, aber der Sheriff-Stern ist doch sehr hilfreich! Wollen Sie hören, wie alles angefangen hat? Na, wollen Sie’s wissen?«
    Annabel brachte ein mühsames Ja hervor. Sie musste Zeit gewinnen, sie hatte keine Ahnung, was er mit ihr vorhatte.
    »Es war Schicksal«, erklärte er. »Glauben Sie an das Schicksal? Ich schon. Ein bisschen. 1997 häuften sich die Schwierigkeiten. Ich wurde gewalttätig, nicht extrem, aber Sie wissen ja, wie die Leute sind – bei der geringsten Kleinigkeit regen sie sich auf. Und dann war da diese verdammte Faszination, ich träumte von Leichen, davon, dass ich sie aufschlitzen würde, um das Innere zu sehen und zu kosten. Der Geschmack der anderen – das wollte ich schon immer wissen.«
    Er verstummte, und Annabel hörte seinen erregten Atem, während er seinen Erinnerungen nachhing.
    Sein Ton wurde sanfter, gemessener, als er fortfuhr: »Mit der Zeit hatte ich immer größere Mühe, mich

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