In Blut geschrieben
wich einen Schritt zurück und stieß gegen die Fenstertür.
Ihr Zeigefinger glitt über den Abzug, ihr Arm streckte sich und setzte zu einem Seitwärtsschwenk an.
Der Schatten war jetzt ganz nah.
Der Lauf ihrer Beretta fuhr noch durch die Luft, war nicht exakt auf sein Ziel gerichtet.
Da sauste die zornige Faust des Schattens auf ihre Schläfe nieder.
Ein erstes Mal.
Beim zweiten Mal hörte sie, wie ihr Nasenbein mit einem Krachen zersplitterte, warmes Blut rann über ihre Lippen.
Der dritte Hieb traf sie am Kiefer, und die Waffe glitt ihr aus der Hand.
Sie glaubte, mehrere Zähne seien ausgeschlagen, als sie am Boden zusammenbrach.
Dann nichts mehr.
Es war aus.
70
Bob Fairziaks Konstruktion war im Grunde simpel. Aus ein paar Spanplatten hatte er über der Treppe, die in den Keller führte, einen Wandschrank gebaut und sich so seinen eigenen Geheimzugang geschaffen. Als Thomas Combie, einer der Männer der Einsatztruppe, die Tür geöffnet hatte, war ihm ein leichter Luftzug aufgefallen. Mit der Fußspitze hatte der Federal Agent ein schief zugeschnittenes Stück Teppich angehoben und das Geheimnis gelüftet.
Brett Cahill setzte den Fuß auf die oberste Stufe, sie schien stabil zu sein. Sehen konnte er nichts. Special Agent Keel war in Begleitung mehrerer Männer, die den Keller durchsuchen sollten, schon unten. Vorsichtig stieg Cahill die Treppe hinab, als einer der Männer von der Einsatztruppe rief: »Das ist ja unglaublich, wo sind wir hier bloß gelandet?«
Das fragte sich auch Brett Cahill, als er die Regale sah, die den ganzen Keller durchzogen. Er entdeckte mehrere Paar Handschellen, Chloroform, einen Gummiknüppel, unterschiedlich dicke Stricke. Gegenüber einen Bund mit Dietrichen, Handschuhe, breites Klebeband sowie mehrere fein säuberlich aufgereihte Sprühdosen mit Tränengas.
Fünf Stablampen ließen ihren Strahl behutsam durch den dunklen Raum wandern, wie ein Mondballett.
Cahill lockerte den Griff um seine Waffe und ging um das letzte Regal herum zu Neil Keel, der auf den gemauerten Tisch aus Porphyr-Gestein starrte. Er erinnerte an die Arbeitstische in den alten Hafendocks, auf denen die Fische ausgenommen wurden, bevor sie in die Kühlwagen kamen. An der Seite befand sich eine Abflussrinne für das Blut und die Eingeweide. Die Maße des Tischs sowie die säuberlich auf einem blauen Küchentuch ausgebreiteten Messer, Sägen und Geflügelscheren, die jetzt im Schein von Keels Lampe aufblitzten, verhießen einen unheilvollen Gebrauch.
»Volltreffer«, murmelte er.
Der Lichtkegel wanderte über die gesamte Arbeitsfläche zu einem Schleifstein, einem Päckchen mit Gefrierbeuteln, einem Tranchiermesser und sogar einem Fleischwolf.
Wie silbrig glänzende Klingen durchschnitten die Strahlen der Taschenlampen gnadenlos das Dunkel.
»O nein … das darf nicht wahr sein!«, stieß plötzlich einer der Männer hervor und wich zurück.
Keel und Cahill eilten zu ihm. Den Kopf zur Seite gewandt, deutete er auf ein großes, staubiges Einmachglas.
Ein Klebezettel war daran befestigt.
»Die Augen sind der Spiegel der Seele. Derjenige, der sie besitzt, hat die Seele eingefangen. Nun ist er nicht mehr allein.«
Keel hob den Zettel an.
Die gelbliche Flüssigkeit fing mit einem Mal an zu schimmern.
Genau wie die vielen Augen, die in ihr schwammen.
Brett Cahill presste sich die Hand vor den Mund. Neil Keel schüttelte nur den Kopf.
Doch plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck, der Ekel war Verblüffung gewichen.
»Und wenn … Wissen Sie, was das ist, was das bedeutet?«, erklärte er in einem Ton, der ahnen ließ, dass er die Antwort schon wusste.
»Dass Bob vollkommen verrückt ist.«
»Nein, im Gegenteil. Bob ist nicht einfach nur Bob, er ist auch der Mann, den wir seit mehr als sieben Jahren suchen. Ich würde mein Gehalt darauf verwetten, dass er der Moor-Mörder ist.«
»Wer?«, murmelte Cahill.
»Von 1995 bis 1997 wurden neunzehn Leichen in den Mooren von North-Carolina gefunden. Man hatte ihnen die Augen entfernt, übrigens die einzigen Körperteile, die nie gefunden wurden. Die Sonderkommission kam lange Zeit nicht weiter, nachdem zu allem Überfluss der für den Fall zuständige Ermittler bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Danach wurden merkwürdigerweise keine weiteren Leichen gefunden. Es gab alle möglichen Spekulationen, ein Journalist mutmaßte sogar, der Verunglückte sei der Mörder gewesen. Die Untersuchung verlief schließlich im Sande. Unsere
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