In Blut geschrieben
davon freizumachen. Ich erspare Ihnen die Details, aber es war eine Obsession, eine verdammte Obsession.
Eines schönen Tages im April 1997 tauchte dann ein FBI-Agent in meinem Büro auf. Damals war ich Sheriff in Kalifornien. Er sagte mir, er ermittle gegen den Moor-Mörder von North Carolina. Neue Indizien deuteten darauf hin, dass er früher in meinem Zuständigkeitsbereich gewohnt hätte. Er wollte, dass wir sämtliche Vorstrafenregister der letzten zehn Jahre – Schwerpunkt Sittlichkeitsverbrechen, Vergewaltigungen und Verstümmelungen der Augen – durchforsten. Das haben wir vier Tage lang getan. Vier lange Tage, in denen ich ständig an diesen eigenartigen Mörder denken musste, an das, was er war, was er dachte, wenn er morgens mit einer seiner Leichen im Bett aufwachte. Vier Tage, in denen wir ihn gejagt haben, um herauszufinden, wer er war, meinen Träumen ein Gesicht zu geben. Bis wir auf einen gewissen Robert Fairziak stießen. Robert war 1990 als Jugendlicher zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er hatte eine Woche lang zwei Anhalter gefangen gehalten. Er hatte ihnen nichts getan, hatte sie nur bei sich eingesperrt, um nicht mehr allein zu sein, wie er meinem Vorgänger erklärte. Was aber die Aufmerksamkeit des FBI-Agenten erregte, war die Aussage eines der beiden Tramper; er hatte zu Protokoll gegeben, Robert hätte ihn mehrmals gebeten, ihm seine Augen zu geben, im Gegenzug würde er sie gehen lassen. Die Sache hatte keine weiteren Konsequenzen gehabt, Robert hatte sie schließlich freigelassen und kam für zehn Monate in die geschlossene Psychiatrie. Bei der Überprüfung der Adresse stellte der FBI-Agent dann fest, dass er den Richtigen erwischt hatte: Robert Fairziak war an die Ostküste nach North Carolina gezogen. Ich erinnere mich, wie er damals von seinem Stuhl aufsprang. Er hatte den Moor-Mörder identifiziert! Und er begab sich auf schnellstem Weg zum Flughafen.«
Wieder machte Murdoch eine Pause und schwieg eine lange Minute.
»Am selben Abend hörte ich in den Nachrichten, dass ein Flugzeug abgestürzt sei, ohne zu ahnen, dass der Federal Agent an Bord gewesen war. Als ich drei oder vier Tage später einen Anruf vom FBI bekam, begriff ich. Sie sagten, einer ihrer Männer, der mich aufgesucht hätte, sei auf dem Rückweg bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Und sie fragten, ob wir etwas herausgefunden hätten. Der FBI-Agent hatte sich nicht die Zeit genommen, seine Kollegen zu informieren. Er war in den nächsten Flieger gesprungen, den Namen des Moor-Mörders im Kopf. Ich war der Einzige, der Bescheid wusste. Und ich habe geschwiegen. Ich weiß nicht, warum, ich habe einfach nichts gesagt. Ich erklärte ihnen, wir hätten nichts herausgefunden, und er sei wütend wieder abgereist.«
Caliban schwieg und atmete schwer. Annabel glaubte, ihn links von sich zu lokalisieren. Doch als er weitersprach, kam seine Stimme aus einer anderen Richtung, so als würde er um sie herumlaufen.
»Eine Woche lang habe ich nachgedacht. Ich hatte den Namen und die Adresse eines Serienkillers, können Sie sich das vorstellen? Ich hätte ein Held werden können, der Sheriff, der den Moor-Mörder überführt hat. Doch ich empfand nichts bei dieser Vorstellung. Diese Art von Ruhm interessierte mich nicht. Ich war fasziniert von dem, was er war, was er tat.«
Annabel stellte sich Murdochs Gesicht vor bei diesen Erinnerungen, seinen leuchtenden Blick, sein Kinn nass von Geifer.
»Ich versuchte, mir sein Haus vorzustellen, malte mir aus, wie es wohl drinnen aussehen könnte, was ein solcher Typ am Wochenende trieb, all das verfolgte mich. Also fuhr ich nach North Carolina. Ich beobachtete ihn und sprach ihn schließlich an. Ich sagte ihm, dass ich alles wüsste. Und wie sehr ich ihn bewunderte. Ich erinnere mich, dass wir gemeinsam durch ein Einkaufszentrum spazierten. Und da, als ich all diese Menschen um mich herum sah, sagte ich ihm, dass wir gemeinsam Großes vollbringen könnten.
Annabel, das erste Mal war furchtbar, ein wahres Gemetzel, das Opfer wehrte sich aus Leibeskräften, das Blut spritzte, irgendwann konnte es nicht mehr schreien, gab nur noch ein Grunzen von sich wie ein Schwein. Aber der erste Bissen Fleisch …«
Caliban holte schnaufend Luft.
»Ein Hochgenuss. Sofort war all das Blut vergessen. Im Gegenteil, es war erregend, den Menschen zu essen, den ich gerade hatte sterben sehen – es war besser als Sex, berauschender als ein Orgasmus. Ich hatte die absolute Macht
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