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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Geräusche, und so nahm Annabel das Quietschen eines der Metzgerhaken erst nach mehreren Sekunden wahr.
    Es kam aus der Richtung der Tür, dann war es plötzlich rechts von ihr, deutlich näher.
    Mit der rechten Hand hielt sie die Beretta vor sich, mit der linken stieß sie den Leuchtstab möglichst weit weg. Sie war sich nun ganz sicher, da war jemand im Raum. Ihr Atem ging schneller, ließ sich nicht länger unter Kontrolle halten. Und trotz der Kälte lief ihr der Schweiß den Rücken hinab.
    Drei, vier Meter von ihr entfernt bewegte sich eine Rinderhälfte. Ein schreckliches Quietschen wie von Fensterleder, das ausgewrungen wird.
    Annabel zielte in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und rief: »Ich weiß, dass Sie da sind! Noch einen Schritt, und ich schieße!«
    Lass dir bloß deine Angst nicht anmerken!
    Doch ihre Stimme klang nicht so fest, wie sie es sich gewünscht hätte. Sie schluckte und fuhr fort: »Bleiben Sie stehen und machen Sie das Licht an. Ich warne Sie, ich mache von meiner Schusswaffe Gebrauch.«
    Brrrrrrrrrrrrrrrrr …
    Nur das Brummen der Kühlung.
    Sie nahm eine Bewegung links von sich wahr. Ohne sich weitere Fragen zu stellen, drückte sie ab …
    Die Kugel schlug gegen die metallene Wand – ein Aufschrei von Stahl, Feuer und Tod.
    Ein stechender Schmerz durchfuhr sie.
    Jemand hatte ihr auf den Arm geschlagen. In dem Augenblick, als sie realisierte, dass sie ihre Waffe losgelassen hatte, traf sie ein zweiter Hieb auf den Mund und entriss ihr einen gurgelnden Schrei. Sie fiel zu Boden, rollte aber reflexartig zur Seite. Sie hörte einen Hagel von Schlägen durch die Luft sausen. In der Hoffnung, sie zu treffen, schlug ihr Angreifer blindwütig um sich. Sie würgte und schluckte das Blut hinunter, das ihr aus der aufgeplatzten Lippe in den Mund rann.
    Sie kroch ein Stück weiter, griff nach dem Leuchtstab und schleuderte ihn in die Richtung, aus der die Schläge kamen. Sie sah, dass er an einem Schatten abprallte. Der schwache Schein genügte, um die Silhouette des Angreifers sichtbar zu machen. Dieser drehte sich um und kam langsam auf sie zu. Annabel, noch im Dunkel, warf sich zur Seite und sprang auf. Jetzt oder nie!
    Obwohl sie bei der Polizei jahrelang Selbstverteidigung und Thai-Boxen trainiert hatte, hatte sie plötzlich das Gefühl, als würde sie keinen einzigen Griff mehr beherrschen. Ihre Gliedmaßen waren völlig kraftlos.
    Beweg dich!
    Sie vergaß all ihre Kurse und ließ sich nur noch von ihren Instinkten leiten. Sie wiegte sich leicht in den Hüften und bog den Oberkörper zurück, dann schoss ihr Bein blitzartig vor wie ein zum Zerreißen gespanntes Gummiband und traf den Gegner mit voller Wucht im Gesicht.
    Der Mann heulte auf und brach zusammen.
    Annabel schnellte herum, rannte in die entgegengesetzte Richtung und tastete hektisch nach ihrer Waffe. Es war stockfinster. Zum Lichtschalter zu laufen war zu riskant, das würde Shapiro – denn sie zweifelte nicht daran, dass er es war – Zeit geben, den Boden nach der Beretta abzusuchen. Plötzlich fiel ihr der Colt wieder ein. Mit zwei Schritten war sie bei der Box. Unbeholfen öffnete sie den Behälter, schob den Tätowier-Apparat zur Seite und ertastete den Kolben des Revolvers. Sie öffnete die Trommel und spürte entsetzt, dass die Kammern leer waren.
    Hinter ihr rappelte sich Shapiro keuchend auf. Sie betete, dass er sie im Dunkeln nicht sehen konnte. Der Leuchtstab befand sich genau zwischen ihnen. Falls er näher kommen sollte, wäre sie zumindest gewarnt.
    Sie fand die Schachtel mit den Patronen und schob eine, dann zur Sicherheit eine zweite in die Kammern. Für mehr war keine Zeit. Die Trommel schloss sich mit einem Klicken, das ihr viel zu laut vorkam. Als Shapiros schwere Schritte auf dem Boden widerhallten, fuhr sie herum. Er rannte.
    Sie war darauf gefasst, seine massige Gestalt direkt auf sich zukommen zu sehen, stattdessen wurde sie plötzlich vom Tageslicht geblendet, das durch die geöffnete Tür drang.
    Der Dreckskerl haute ab!
    Sie atmete tief durch. Sie lebte! Sie war davongekommen. Doch auf die Erleichterung folgte unbändiger Zorn, sie umklammerte den Griff der Waffe und nahm die Verfolgung auf.
    *
    Joshua Brolin blieb das Herz stehen, als er Shapiros Lieferwagen im Hof entdeckte. Er wollte gerade das Haus durch die Hintertür verlassen und hatte eben noch Zeit, unter der Spüle in Deckung zu gehen. Er hatte zwar niemanden gesehen, aber das war trügerisch, denn Lucas Shapiro konnte sich hier

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