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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Kommentar.
    »Bleiben Sie liegen, ich rufe meine Kollegen und …«
    Seine vom Adrenalin noch immer blitzenden Augen blickten sie eindringlich an.
    »Annabel, Sie wissen doch, was wir gerade getan haben? Ich habe mir unrechtmäßig Zutritt zu Shapiros Haus verschafft. Auch wenn ich nur Beweise für seine Schuld gesucht habe, wird jedes Gericht lediglich feststellen, dass ich mich dort nicht aufhalten durfte und dass ihn das aggressiv gemacht hat. Dann können sie behaupten, dass ich an seinem Tod schuld bin.«
    In gewisser Weise stimmte das. Allerdings litt Joshua Brolin, seit er sich aus der Maschinerie des Polizeiapparats befreit hatte, nicht mehr unter der Last seines Gewissens, denn er hatte erkannt, dass dieses nur das Teufelswerk derjenigen ist, die die Welt regieren und Gesetze und Religionen verkünden. Shapiros Tod wog in seiner persönlichen Bilanz nicht mehr als eine Feder. Um ehrlich zu sein, hatte er ihn zwar nicht herbeigewünscht, konnte aber auch kein Bedauern darüber empfinden.
    »Wir können doch n …«
    »Alles am Tatort Vorgefundene wird unter diesen Umständen vor Gericht für unzulässig erklärt, wenn man uns dort antrifft. Machen Sie, was Sie wollen, ich bleibe jedenfalls nicht hier.«
    Sie sah ihm zu, wie er aufstand und die Patronenhülsen, die er hinterlassen hatte, aufsammelte.

    Annabel saß in ihrer Küche und schlürfte mit geschlossenen Augen heißen Tee, dessen Dampf ihr Gesicht wie mit einem Schleier umhüllte. Es war ihr noch immer unbegreiflich. Sie hatten unerlaubt den Ort eines Verbrechens verlassen.
    Das konnte sie ihre Karriere kosten. Wegen einer übereilten Entscheidung. Einer Spontanhandlung. Und nur, weil sie ihrem Instinkt gefolgt war, weil sie Brolin vertraut hatte.
    Trotzdem konnte sie ihm keinen Vorwurf machen. Damit würde sie das Problem nur verlagern, um die Verantwortung nicht selbst übernehmen zu müssen. Sie hatte immer nach bestem Wissen und Gewissen entschieden, ohne Druck. Sie hielt sich nicht zu Unrecht für eine Frau der Tat, eine Draufgängerin, die sich jedes Mal Ärger einhandelte. Und als wäre sie nicht in der Lage, aus ihren Irrtümern zu lernen, machte sie die gleichen Fehler immer wieder. Doch dieses Mal war der Gipfel erreicht.
    Brolin stand in der Tür, ein Pflaster auf der Wange, ein weiteres am Ohr.
    »Haben Sie Ihre Schulter desinfiziert?«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne die Augen zu öffnen.
    »Die Kugel hat mich kaum gestreift, es ist nur eine leichte Verbrennung.«
    Er verschwand und kehrte kurz darauf mit einem Fläschchen Alkohol und einem Wattebausch zurück. Er zog am Stoff ihres T-Shirts, um den Riss zu vergrößern, der Träger ihres BHs tauchte in der Öffnung auf. Ganz vorsichtig schob er ihn zur Seite und legte die mit Alkohol getränkte Kompresse auf die gerötete Haut.
    »Verstecken Sie das unter einem Pullover, damit Ihre Kollegen es nicht sehen.«
    Während er die Kompresse auflegte, betrachtete er die Lippe der jungen Frau.
    »Sie ist nur ein bisschen geschwollen, nicht schlimm, mit etwas Glück stellt Ihnen niemand Fragen.«
    Nach kurzem Schweigen sprach Brolin weiter, sanft und ganz leise: »Ich kann mir vorstellen, was in Ihnen vorgeht. Es war aber die einzige Möglichkeit. Wir haben gepokert, und das Blatt hat sich gewendet, wir mussten die Folgen akzeptieren. Wenn es Sie beruhigt: Die Polizei wird uns nicht verdächtigen. Die Patronenhülsen, die ich vielleicht übersehen habe, helfen ihr auch nicht weiter. Ich benutze ganz gewöhnliche 9-mm-Federal-Patronen. Wir haben beide Handschuhe getragen, und bei dem Schneefall konnte uns niemand erkennen. Außerdem war weit und breit keine Menschenseele. Sie können ganz beruhigt sein. Wenn die Leiche gefunden wird, durchsucht die Polizei das Haus, entdeckt, was er verbergen wollte, und stellt die Verbindung zu Ihren Ermittlungen her. Die Polizisten werden denken, dass es sich um eine Abrechnung unter den Mitgliedern der Sekte handelt …«
    »Wie können Sie nur so gleichgültig sein?«, rief Annabel.
    Wut und Unverständnis mischten sich plötzlich zu einem explosiven Cocktail. Brolin drückte noch einmal den Wattebausch auf die Verletzung der jungen Frau und warf ihn dann in den Mülleimer.
    »Macht Ihnen das alles nichts aus?«, fuhr sie fort. »Sie haben gerade einen Menschen getötet, einen Mörder zwar, aber doch einen Menschen! Und da sind Sie noch so kaltblütig, an diesen Mist zu denken und alles zu planen?«
    Brolin trat einen Schritt zurück, sah sie wortlos an, ruhig

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