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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Silhouette tanzte vor seinen Augen, aber der Abstand verringerte sich. Er musste durchhalten, doch Brolin war kurz davor, zusammenzubrechen und sich zu übergeben. Sein Körper schien plötzlich in Flammen zu stehen, und er hatte gerade noch die Kraft, seine Waffe vor sich auszustrecken.
    Die Umgebung begann sich zu drehen, als würde sein Kopf in alle Richtungen geschleudert. Deshalb konnte er nicht zielen, sondern schoss in die Luft. Eigentlich wollte er schreien, Shapiro solle gefälligst stehen bleiben, doch er war zu sehr außer Atem, hatte nicht einmal mehr die Kraft, zu sprechen.
    Als Shapiro den Knall hörte, warf er sich zur Seite in den Schnee, wo er etwa fünf Meter weiter rollte. Auch er war am Ende seiner Kräfte und gab drei Schüsse ab, aber nicht in die Luft wie sein Verfolger, sondern vage in Brolins Richtung. Der ging hinter einem Baum in Deckung und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Als er sich umdrehte, sah er, dass Shapiro den kleinen Abhang hinabgelaufen war und jetzt an einem stehenden Güterzug entlangrannte.
    Brolin sprang aus seinem Versteck und jagte ebenfalls den Abhang hinab.
    Shapiro blieb unvermittelt stehen und feuerte einen Schuss ab, bevor er sich zwischen zwei Waggons verschanzte. Die Kugel schlug dreißig Zentimeter vor Brolins Füßen in den Boden und ließ die Kiesel aufspritzen.
    Der Privatdetektiv stützte ein Knie auf den Boden und hielt, um besser zielen zu können, den Atem an. Er zielte genau zwischen die Waggons. Fünf Projektile prallten gegen die Metallwände, dass die Funken stoben.
    Als das Echo der Schüsse verebbt war, war es wieder totenstill. Brolin hockte da und lauerte, den Revolver schussbereit, auf die geringste Bewegung von Shapiro. Er rechnete nach. Seine Glock fasste fünfzehn Kugeln. Demnach mussten noch vier in der Waffe sein.
    Er wartete jetzt schon fast eine Minute, als er zwischen den beiden Waggons einen dunklen Fleck entdeckte, der sich im Schnee ausbreitete.
    Querschläger, dachte Brolin. Meine Kugeln sind also abgeprallt, bevor sie ihn getroffen haben.
    Er erhob sich und schlich, die Glock im Anschlag, näher. Als er fast auf der Höhe der Waggons angelangt war, blieb er stehen, konzentrierte sich und sprang dann, den Lauf der Glock auf die Gefahrenzone gerichtet, vor.
    Shapiro war da. Seine Waffe auch.
    Die Mündung zielte direkt auf Brolins Kopf.
    *
    Annabel war außer Atem. Sie war den beiden Männern in einiger Entfernung gefolgt, bis sie sie schließlich aus den Augen verloren hatte. Theoretisch konnten sie überall sein, irgendwo zwischen den Bäumen am Wegesrand. Wenn sie auf Brolin träfe, hätte sie Glück, doch wenn es Shapiro wäre, bot sie ein leichtes Ziel. Deshalb schlich sie sich, auf jedes Zeichen achtend, Schritt für Schritt voran.
    Plötzlich ertönten mehrere dicht aufeinander folgende Schüsse – gar nicht weit entfernt. Sie rannte los, immer geradeaus. Die Spuren im Schnee waren zu zahlreich und undeutlich, als dass sie hätte erkennen können, von wem sie stammten. Als sie zwei Spuren sah, die zu einem Abhang führten, zögerte sie keinen Augenblick. Weiter unten auf einem Abstellgleis stand ein Güterzug.
    Wieder ein Schuss.
    Und ein zweiter.
    Von rechts, nur fünf Meter entfernt.
    Sie sah, wie Brolin zusammenbrach.
    Sein Körper schlug zu Boden, doch seine Waffe zielte noch immer zwischen die Waggons.
    Annabel mobilisierte ihre letzten Kräfte, sprintete zu Brolin, und als sie neben dem Privatdetektiv kniete, begriff sie, was sich abgespielt hatte. Die Männer hatten sich gegenübergestanden, jeder hatte mit seiner Waffe auf den Gegner gezielt, und beide hatten abgedrückt.
    Sie beugte sich über Brolin. Blut lief an seiner Schläfe herunter. Sie presste beide Hände auf die Wunde, bis ihr die Idee kam, die Blutung mit ihrer Baseballkappe zu stoppen. Sie wandte den Kopf in die Richtung, in die Brolins zitternde Waffe noch immer zielte.
    Shapiro war auf den Rücken gefallen – mit dem Kopf auf die Anhängerkupplung. Aus Schenkel und Oberkörper tropfte Blut in den Schnee. Sein Mund war weit geöffnet, die Zähne glänzten.
    Eine Schneeflocke legte sich auf seine starre Pupille.

29
    Brolin schob die improvisierte Kompresse beiseite. Seine Verletzung war nur oberflächlich, die Kugel hatte ihn kaum an der Wange gestreift und ihm dann ein Stück des Ohrläppchens abgerissen. Kein schöner Anblick, aber auch nicht schlimm, die Wunde musste nicht einmal genäht werden.
    »Wir müssen sofort hier weg«, war sein einziger

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