in China
Treppe«, schlug er vor. »Ich bin marschiert. Gelaufen und gelaufen und gelaufen. Jedenfalls bin ich auf die Truppenunterkunft gestoßen. Was für ein Segen, daß Guo Musu die auf der Karte eingetragen hat. Daraus kann ich auch so etwa schließen, wo das Arbeitslager sein muß.«
Sie starrte ihn erschrocken an. »Aber dann müssen Sie ja meilenweit gegangen sein!«
»Ja, natürlich. Ich bin gegangen, gejoggt und gerannt, und das im Stockfinstern; aber es gab ja überhaupt nur eine Straße, der ich folgen mußte. Gottlob bin ich nicht von dieser Straße abgekommen. Ich habe es gerade noch geschafft. Erst um sechs Uhr morgens war ich wieder zurück. Ich bin auch auf einen Fluß gestoßen. Es muß der Fluß sein, der um das Arbeitslager herumfließt, in dem sich X befindet. Heute nacht werde ich dem Flußlauf folgen und nach dem Lager Ausschau halten.«
Es schauderte sie. »Wollen Sie schon versuchen, sich mit X in Verbindung zu setzen, falls Sie das Lager entdecken?«
»Lieber Himmel, nein«, wehrte er ab. »Vorerst will ich nur die Lage erkunden. An X werde ich mich erst heranmachen, wenn ich ganz offiziell verschwunden bin.«
Sie rief sich das Programm und die Reiseroute ins Gedächtnis.
»Und wann? Wann wird das sein? Wann wollen Sie verschwinden und untertauchen?« Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie wußte gar nicht, warum. Das war doch eine ganz einfache Frage.
»Im Weideland. Gleich nachdem wir in Turfan waren. Also am Donnerstag.«
»Am Donnerstag also«, wiederholte sie mit schwacher Stimme. In drei Tagen... Dann würde er angeblich tot sein, doch seine Leiche würde nie gefunden werden. Sie nahm all ihren Mut zusammen und fragte ihn: »Warum ist es eigentlich so wichtig, daß wir zuerst nach Turfan fahren?«
Ein Arbeiter karrte Ziegelsteine vorbei. Peter antwortete erst, als der Mann außer Hörweite war. »Weil ich alles mögliche verstecken und einen Unterschlupf finden muß«, erklärte er.
»Wenn Sie sich in den Atlas vertiefen, werden Sie sehen, daß Turfan eine Oase ist. Von Urumchi aus braucht man mit dem Wagen vier Stunden bis dorthin. Es ist genau die Route, auf der ich mich mit X auf dem Weg in die Berge begeben werde. Dann können wir uns unterwegs warme Decken und Nahrung aus dem Versteck holen. Ich kann ja schlecht mit einem Koffer verschwinden.«
Er wirkte ganz ruhig und zufrieden. Sie konnte keine Spur von Furcht oder auch nur Anspannung in seinen Zügen entdecken. »Sehr clever«, sagte sie und fügte trocken hinzu:
»Ich vergebe Ihnen hier und jetzt, daß Sie das Wasserglas vergessen haben.«
»Was soll ich vergessen haben?«
»Ist ja nicht so wichtig... Peter, müssen es denn unbedingt die Berge sein? Gibt es keine andere Möglichkeit? Sie haben doch sicher Ausweispapiere dabei, mit denen Sie überall durchkommen.«
»Gefälschte Papiere, ja, natürlich«, gab er zu. »Schöne täuschend echte, gut gefälschte Pässe.
Und nicht nur einen oder zwei, nein, vier, damit ich in verschiedene Rollen schlüpfen kann und mehr Möglichkeiten habe.«
Sie fragte ihn ganz ernst: »Aber warum können Sie dann das Land mit X nicht auf einem einfacheren Weg verlassen? Diese Berge sind doch selbst im Sommer unüberwindlich, Peter.«
»Was stellen Sie sich eigentlich unter einem einfacheren Weg vor?« fragte Peter.
Ȇberhaupt... einfacher inwiefern?
Überlegen Sie doch mal! Wir sind hier fast fünftausend Kilometer von Peking entfernt, und nach Kanton ist es fast ebenso weit. Solche enormen Entfernungen kann man nur per Bahn, Bus oder Flugzeug zurücklegen und höchstens streckenweise zu Fuß. Sie müssen auch bedenken, daß X und ich nicht als amerikanische Touristen, sondern als Chinesen unterwegs sein werden. Wir würden ständig überwacht und müßten alle möglichen Kontrollstellen passieren, wo man uns garantiert unangenehme Fragen stellen würde. Nein, völlig
ausgeschlossen, das wäre zu riskant«, erklärte er und schüttelte den Kopf. »Zu viele Engpässe, viel zu viele Hindernisse. Das würde nicht gut gehen. Und außerdem«, fügte er schelmisch hinzu, »stoßen wir vielleicht hoch oben im Kunlun-Gebirgs auf die ›Mutter-Königin des Westens.‹«
»›Mutter-Königin des Westens‹?«
Er nickte. »Die Bücher berichten von einem abenteuerlichen Kaiser, der um das Jahr 600 vor Christi Geburt gelebt haben und von einem unüberwindlichen Forschungsdrang besessen gewesen sein soll. Er hieß Wa Tei. Er hat sich mit seinem vermutlich riesigen Gefolge in Richtung
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